Kölner Müllskandal

Gesamtdeutscher Schmutzhandel

Der Kölner Müllskandal weitet sich aus. Jetzt wird auch im Osten ermittelt

Von David Schraven

Die Korruption ist unter den Straftaten ein scheues Wesen. Sie kleidet sich in feines Tuch, trägt keine Waffen, vergießt selten Blut. Noch nicht einmal die Opfer des Deliktes sind auf Anhieb auszumachen. Was soll man zum Beispiel von einem Berater halten, der bei einer öffentlichen Ausschreibung gleichzeitig den Auftraggeber und einen potenziellen Auftragnehmer berät, beide miteinander ins Geschäft bringt, von zwei Seiten dafür kassiert - und einen Teil des Honorars später möglicherweise weiterreicht?

Klaus-Jürgen Haupt, 56, gehört in der Abfallbranche zu den einflussreichen Figuren. 1990 gründete er gemeinsam mit dem Viersener Müllmagnaten Trienekens und der Westdeutschen Landesbank das privatwirtschaftliche Institut für Kommunalwirtschaft (IKW). Offiziell berät das scheinbar unabhängige Institut Kommunen in Ost und West in Müllangelegenheiten. Doch seit im März 2002 der Korruptionsskandal um die Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) aufflog, ist auch Haupt ins Visier der Fahnder geraten (ZEIT Nr. 48/03). Zurzeit ermitteln gleich drei Staatsanwaltschaften gegen ihn wegen des Verdachts auf Untreue und Bestechung. Haupt, so der Verdacht, habe im Auftrag seiner Geschäftspartner Trienekens und Babcock Borsig - und unter dem Deckmantel seines Instituts - in Ost und West die politische Landschaft gepflegt.

Besonders gut lassen sich die fragwürdigen Geschäftsmethoden des früheren Kommunalbeamten Haupt im sächsischen Delitzsch nachzeichnen. Aus einem internen Vermerk der Kölner Kriminalpolizei geht hervor, dass Haupt spätestens seit dem Jahr 2000 als gut bezahlter Berater für mehrere ostdeutsche Kommunen tätig war. Ausgesprochen lukrativ war das Geschäft in Delitzsch, wo der damalige IKW-Geschäftsführer nicht nur als Teilhaber der örtlichen Entsorgungsgesellschaft KWD auftrat, sondern auch als deren Berater. Am 26. Oktober 1998 erhielt Haupt von der KWD, an der er selbst beteiligt ist, den Auftrag, einen Partner für die europaweite Ausschreibung des geplanten Müllofens zu finden. Insgesamt kassierte er von den Kreiswerken und deren Muttergesellschaft jährlich 660.000 Mark. Doch damit nicht genug. Aus Unterlagen, die der ZEIT vorliegen, geht hervor, dass Haupt zur selben Zeit auch für den mittlerweile insolventen Anlagenbauer Babcock Borsig Power (BBP) aktiv war, der sich um Aufträge für verschiedene Müllöfen in Ostdeutschland bemühte.

Das Unternehmen, das aus der Fusion der Babcock Umweltsparte mit dem Anlagenbauer L&C Steinmüller hervorging, hat bei den Ermittlern keinen guten Ruf. Ex-Steinmüller-Manager Sigfrid Michelfelder ist einer der Hauptangeklagten im Kölner Müllprozess. Am 1. Oktober 1996 unterzeichneten Haupt und Michelfelder einen allgemein gefassten Beratervertrag, der in den folgenden Jahren von Babcock Borsig bestätigt wurde. Danach sollte sich das IWK in Ostdeutschland für den Anlagenbauer einsetzen; ausdrücklich wird auch der Müllofen in Delitzsch in der Projektliste aufgeführt.

Der Beratervertrag ist anfänglich nur mit 80.000 Mark pro Jahr dotiert. Doch die Summen, die auf Grundlage des Vertrages gezahlt werden, wachsen schnell. Allein zwischen März 2000 und Dezember 2001 zahlte der Konzern 1.098.868,02 Mark auf ein IKW-Firmenkonto. Ausdrücklich wird die MVA Delitzsch in den Abrechnungen des IKW genannt. Doch welche Leistungen Haupt erbracht hat, ist nicht ersichtlich. Pikant sind die Zahlungen vor allem, weil der geplante Müllofen mit rund 250000 Tonnen Jahreskapazität - ähnlich wie im Kölner Fall - vollkommen überdimensioniert war. Neben den potenziellen Abfalllieferanten hätte vor allem der Anlagenbauer von dem Auftrag profitiert.

Die Zahlungen von Babcock an Haupt hat in den meisten Fällen Christoph Jeuthe in die Wege geleitet, damals Leiter der Vertriebsabteilung bei BBP. Die beiden Herren hatten offenbar auch sonst einen guten Draht. So taucht Jeuthe regelmäßig in den Geschenklisten auf, mit denen Haupt sein Netzwerk knüpfte. Im Juni 2000 lädt der IKW-Geschäftsführer den Babcock-Manager zusammen mit ostdeutschen Lokalpolitikern und mehreren Geschäftsführern kommunaler Abfallbetriebe nach Köln ein. Auch in den Kontounterlagen des IKW findet sich der Name Jeuthe.

Am 6. Dezember 2002, ein Jahr nach dem Millionentransfer von Babcock an Haupt, überweist dieser dem verantwortlichen Babcock-Manager 50.000 Euro vom Firmenkonto. Ein Handgeld für die gemeinsamen Geschäfte? Nein, sagt Jeuthe, er habe die Summe als Darlehen erhalten, mit dem er sich nach seinem Ausstieg bei BBP selbstständig machen wollte. Außerdem habe er das Geld mittlerweile zurückgezahlt. Haupt selbst äußert sich auch auf Nachfrage nicht zu dem Vorgang

Zwar wurde die Müllverbrennungsanlage in Delitzsch bis heute nicht gebaut. Trotzdem konnte Haupt seinem Auftraggeber bereits 1999 einen Erfolg melden. Die Kreiswerke Delitzsch vergaben damals den Auftrag für eine Sortieranlage an Babcock Borsig - obwohl das Angebot des Konzerns nach Informationen der ZEIT mit rund 13 Millionen Mark knapp 3 Millionen Mark über dem Angebot der Konkurrenz lag. Auch an der Ausschreibung dieses Projekts war das IKW maßgeblich beteiligt. Warum entschieden sich die Kreiswerke für die teurere Variante? Hat Haupt bei der Entscheidungsfindung womöglich nachgeholfen? Auf eine schriftliche Anfrage wollten weder die Verantwortlichen der Kreiswerke noch ihr Berater Haupt dazu etwas sagen. Der Insolvenzverwalter der inzwischen zahlungsunfähigen Babcock Borsig teilte mit, er habe einen Beratervertrag sichergestellt, den seine Gesellschaft mit der IKW abgeschlossen habe. Noch werde geprüft, ob Geld zweckentfremdet worden sei. Mehrere Staatsanwaltschaften gehen dem Verdacht nach, Klaus-Jürgen Haupt könnte einen Teil seiner Babcock-Honorare als Schmiergeld weitergereicht haben.

DIE ZEIT, 18.03.2004, Nr.13

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