Der Italien-Müll und die Verträge

Februar 2007: Letzter Ballen in Spröda eingelagert / April 2007: Erster Abfall aus Neapel in Cröbern

Von DITMAR WOHLGEMUTH

Delitzsch. Müll aus Neapel kann definitiv nicht auf der Deponie in Spröda gelandet sein. Zu dieser Aussage kommen übereinstimmend sowohl die Geschäftsführer der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV), Günter Lohmann und Holger Bauernfeind, als auch der Geschäftsführer der Kreiswerke Delitzsch (KWD), Heinz Böhmer. WEV und KWD machen dies an einer Zeitschiene fest, die „nicht zu widerlegen ist“, hieß es.

Anfang des Jahres kamen beide Unternehmen in die Schlagzeilen (wir berichteten). Die WEV geriet unter beschuss, weil sie Hausmüll in Größenordnungen aus Italien importiert, und die KWD, weil sie die aus den neapolitanischen Abfällen gewonnenen sogenannten heizwertreichen Fraktionen (HWRF) unsachgemäß auf der Deponie Spröda lagere. Die Deutsche Umwelthilfe (DUV) hatte kürzlich behauptet, die aus dem italienischen Hausmüll aussortierten heizwertreichen Reste würden, weil sie nicht einer Verwertung zugeführt werden könnten, in Spröda unsachgemäß gelagert. Fotos des Bürgervereins Sauberes Delitzscher Land dienten dabei als Beweis. Darauf waren aufgerissene Plastikballen der verpackten HWRF zu sehen.


Heinz Böhmer: Die Hüllen sind beim Abdecken des Lagers oder beim Aufladen der Ballen zerrissen.“


Die Hüllen sind beim Abdecken des Lagers beziehungsweise beim Aufladen der Ballen zerrissen“, erklärte Böhmer. Bei der Belastung könne die Folie reißen, jedoch stelle dies für ihn keine Minderung der Qualität dar. „Der Heizwert ändert sich nicht und chemische Prozesse laufen bei den vorhandenen Bestandteilen auch nicht ab“, ist sich Böhmer sicher. Das Regierungspräsidium (RP) Leipzig hatte einen genehmigungskonformen Betrieb des Lagers bei Kontrollen festgestellt. Um Verwehungen des losen Materials zu verhindert, legte das RP fest, dieses tagtäglich abzutransportieren und zu verarbeiten (wir berichteten).

In das im August 2006 geöffnete und ursprünglich 52.000 Tonnen fassende Sprödaer Zwischenlager – zurzeit liegen dort noch etwa 76.000 Ballen à 500 Kilogramm – kam die letzte Lieferung aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) in Cröbern bei Leipzig im Februar 2007 an. „Danach wurde das Lager geschlossen“, so Böhmer. Seit August vergangenen Jahres wird wieder ausgelagert und die HWRF einer Verwertung in einer KWD-Anlage in Delitzsch-Südwest zugeführt. Neue Ballen seien in Spröda nicht hinzugekommen, hieß es.


Günter Lohmann: Um dieses Geschäft abschließen zu können, mussten wir uns einem Genehmigungsverfahren stellen.


Die WEV, die die MBA in Cröbern betreibt, nimmt seit April 2007 Müll aus der Region Neapel entgegen. Etwa 60.000 Tonnen sollen es bislang gewesen sein. Der heizwertreiche Anteil liegt bei etwa 27.000 Tonnen. „Eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung aus dem Jahr 2005 sichert den KWD die HWRF“, teilte Bauernfeind mit und fügte hinzu, „lieber gestern als heute“ aus dem Vertrag aussteigen zu wollen. Er begründete dies mit deutlich besser gewordenen Verkaufskonditionen der HWRF auf dem freien Markt. „Wir könnten deutlich günstiger verkaufen als es momentan der Fall ist. Wir sind aber bis 2030 an die Kreiswerke gebunden.

Für Lohmann ist es eine „Sache der Solidarität im geeinten Europa“, auf die Zustände in Italien zu reagieren. Es könne nicht verwerflich sein, „etwas Gutes zu tun, Abhilfe zu schaffen und dabei dazu beizutragen, die Anlagen in Cröbern besser auszulasten“. Es mache keinen Unterschied, ob Hausmüll aus der Region oder eben aus Italien verwertet werde. In dem Zusammenhang in die Nähe der Mafia gerückt zu werden, empfindet Lohmann als „Unverschämtheit“. „Um dieses Geschäft, und um nichts anderes handelt es sich hierbei, abschließen zu können, mussten wir uns einem komplizierten Verfahren stellen und wir haben die Genehmigung bekommen.“ Der italienische Vertragspartner der WEV sei über dies ein mehrheitlich staatlich geführtes Logistikunternehmen. „Der Bahntransport in geruchsdichten Schiffscontainern ist in diesem Zusammenhang für uns die umweltfreundlichere Variante gegenüber dem Lkw-Verkehr“, stellte Lohmann klar.

Einlagerung der weißen Folienballen in Spröda

Die Einlagerung der weißen Folienballen in Spröda endete im Februar 2007, die Auslagerung begann im August vorigen Jahres. Italienischen Hausmüll gibt es seit April 2007 in Cröbern. Neue Ballen sind seitdem nicht im Landkreis gelandet. Foto: dw

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, Seite 15, 08.02.2008


STANDPUNKT


Von Ditmar Wohlgemuth

Fakten

Es ist ein schwieriges Metier – die Abfallwirtschaft. Zugegeben, auch ein schmutziges. Und dies ist (ausschließlich) nur im wahrsten Sinne des Wortes gemeint. Natürlich lässt sich mit der Müllbeseitigung auch Geld verdienen. Sie ist genauso ein Wirtschaftszweig wie beispielsweise die Autoindustrie. Angebot und Nachfrage regeln unter anderem den Preis. Allerdings scheint es, um beim Beispiel zu bleiben, leichter nachvollziehbar, warum ein Auto teuer oder preiswert ist. Otto-Normal-Bürger zeigt aber gerade in Sachen Abfallbeseitigung eine hohe Sensibilität, vielleicht weil es auch um Gebühren geht. Womöglich bezahlt er sogar den Müll, der jetzt aus Italien in unsere Region kommt. An dem soll wohl aber nichts sein, wenn man Experten glaubt. Müll sei lediglich eine Handelsware wie jede andere und so werde sie auch behandelt – als ein Geschäft. Sehr hellhörig werden vor allem Bürgerinitiativen, wenn hiesige Unternehmen wie die Kreiswerke Delitzsch in diesen Geschäften mitmischen. Interessiert und wachsam zu sein, ist gutes Recht, doch sollte bei allen Vorbehalten auch eines gelten: Fakten auf den Tisch! Wenn Genehmigungen erteilt wurden, basieren sie auf geltendem Recht. Wenn aber Gesetze in ihrer Wirkung nicht weit genug reichen, liegt das nicht an den Geschäftsleuten.

@d.wohlgemuth@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, Seite 15, 08.02.2008


Planmäßiger Produktionsstopp für Ersatzbrennstoff in Delitzsch

Carbo-Light-Hauptabnehmer Zementwerk Bernburg tritt in Wartungspause ein

Delitzsch. (dw) Die Produktion des Ersatzbrennstoffs (EBS) Carbo Light in einer Verwertungsanlage im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest ist derzeit gestoppt. Wie vom Betreiber der Anlage, den Kreiswerken Delitzsch (KWD), zu erfahren war, stehen die Maschinen planmäßig wie jedes Jahr still. Das Zementwerk Bernburg, ein Hauptabnehmer von Carbo Light, trat turnusmäßig in eine sechswöchige Wartungspause.

Das ist nichts Neues und auch keine besondere Situation“, hieß es. Weil die Bauindustrie in den Wintermonaten weniger Zement braucht, werde der Produktionsstopp zur Wartung der Technik genutzt. Bis Anfang März werde die aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) in Cröbern stammenden heizwertreichen Fraktionen (HWRF) deshalb zum Großteil nach Bitterfeld gebracht. „Auf der Deponie Freiheit III können bis zu 60.000 Tonnen zwischengelagert werden“, teilte KWD-Geschäftsführer Heinz Böhmer mit. Die vertraglich vereinbarten Massen würden ausreichen, um das bereits für Spröda vom Regierungspräsidium Leipzig genehmigte Zwischenlager für 200.000 Tonnen nicht errichten zu müssen (wir berichteten). „Wir kommen mit Bitterfeld wahrscheinlich aus“, so Böhmer. Betriebswirtschaftlich rechne sich diese Variante. Ein weiterer Teil der HWRF, der in loser Schüttung und nicht als eingepackte Ballen in Cröbern abgeholt wird, werde unter anderem in einen EBS-Kraftwerk in Großräschen bei Senftenberg thermisch verwertet.

Die KWD-Anlage in Delitzsch-Südwest produzierte im vergangenen Jahr 151.000 Tonnen Carbo Light und erreichte damit die Kapazitätsobergrenze. Die gesamte Menge wurde nach Angaben der KWD überregional an Kunden in sechs Bundesländer geliefert. Um für das Zementwerk des Konzerns Schwenk bedarfsgerecht und kostengünstiger mittelkalorigen Brennstoff zu liefern, soll in unmittelbarer Nähe eine zweite Anlage mit einer Leistung von 60.000 Tonnen entstehen. „Die Halle ist fertig, die Bauabnahme ist Mitte dieses Monats, die Montage der Maschinen erfolgt im April“, war von den KWD zu erfahren. Dreizehn Leute werden dort zunächst im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten. Das Personal, darunter zwei Auszubildende, werde überwiegend aus dem eigenen Bestand kommen, aber auch ehemalige Zementwerker hätten sich beworben. Das Zementwerk Schwenk in Bernburg befeuert seine Produktionsanlagen ausschließlich mit Ersatzbrennstoff und sei damit beispielgebend für den Konzern, so KWD-Chef Böhmer.

Carbo Light, der Ersatzbrennstoff aus Delitzsch, wird derzeit wegen einer Wartungspause nicht ins Zementwerk nach Bernburg transportiert. Foto: Ditmar Wohlgemuth

Carbo Light, der Ersatzbrennstoff aus Delitzsch, wird derzeit wegen einer Wartungspause nicht ins Zementwerk nach Bernburg transportiert. Foto: Ditmar Wohlgemuth

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgebung, Seite 17, 08.02.2008


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