Privatwirtschaft und der Bürger zahlt

Werden öffentliche Gelder in private Taschen gespült?

Von Dietmar Mieth

Das Thema brennbarer Plastikabfälle, auch heizwertreiche Fraktionen (HWRF) genannt, bewegen immer wieder die Gemüter aller, in verschiedener Art und Weise Betroffenen. Besonders jedoch die Vergabepraxis solcher Aufträge. Ab einem durch den Gesetzgeber bewusst in den VOL/B (Neufassung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) - Fassung vom 5. August 2003) festgeschriebenen Auftragswert ist eine öffentliche Ausschreibung zwingend erforderlich.

Die vorgenannten Bestimmungen (Vergabearten: öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe…;d.V.) gelten streng genommen nur für Beschaffungen unterhalb eines geschätzten Auftragswertes von 200.000,00 € (ohne Umsatzsteuer), des sogenannten Schwellenwertes. Bis zu dieser Grenze werden nationale deutsche Vorschriften angewendet. Bei Aufträgen, die den Schwellenwert erreichen oder übersteigen, sind zusätzlich die Vergabevorschriften der Europäischen Union anzuwenden, die in die VOL eingearbeitet wurden.1)

Doch der Vertrag über die Abnahme der heizwertreichen Abfälle wurde ohne diese öffentliche Ausschreibung unterschrieben. Der Landkreis Delitzsch mit seinem Landrat und in Personalunion KWD-Aufsichtsratsvorsitzenden, setzt sich somit ganz bewusst über EU-Recht hinweg. Wenn man dann noch hört, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder und Mitgesellschafter über ebenfalls nicht ausgeschriebene Beraterverträge, Holding- und vielschichtigen Tochtergesellschaften finanziell zufrieden stellen, dann bekommen diese Firmenkonstruktionen einen realen Sinn. Allerdings steht zu vermuten, mobilisierte man so Geld, welches man als Schmiermittel brauchte. Mit überteuerten Aufträgen an dem Firmengeflecht nahe stehenden Betrieben bzw. Privatpersonen, werden öffentliche Gelder transferiert, so benennen es die aufmerksamen Leser der betriebswirtschaftlichen Informationen.

Auf den „Goldesel“ Müllverbrennungsanlage (MVA) hatte man ja schon nach geringem Druck der Öffentlichkeit, Stichwort „Korruption“, schnell verzichtet. Der Müllstrom war aber damals schon vertraglich gesichert. Verträge auf denen man zur Zeit festsitzt, ohne wirklich zu verwerten. Deshalb bemüht man die Hilfskonstruktion „Zwischenlagerung“ und gaukelt der Öffentlichkeit eine Gewinn bringende baldige Verwertung vor.

Abgesehen von Mehrkosten für enorm mehr Fahraufwand, kosten der Umschlag und die Lagerung ebenfalls mehr Geld als eigentlich nötig. Mit Hausmüllentsorgung hat das alles nichts zu tun. Die Kosten werden aber dem Bürger aufgelastet. Und immer werden zum einen die Pflichtaufgabe und die privatwirtschaftlichen Verhältnisse gegeneinander ausgespielt. Gegen öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) ist prinzipiell nichts einzuwenden, nur müssen die Vorgaben der Kommunalverfassungen und der EU geachtet werden.

Der EU Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Charlie McCreevy, sagte dazu: „Die Zahl der Reaktionen unterstreicht die wachsende Bedeutung öffentlich-privater Partnerschaften. ÖPP sind bei großen Infrastrukturvorhaben und öffentlichen Dienstleistungen inzwischen weit verbreitet. Sie können einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum der EU-Wirtschaft leisten. Die Kommission muss dafür sorgen, dass die Auswahl privater Partner transparent und in fairem Wettbewerb erfolgt, nicht zuletzt, weil dadurch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis für den Steuerzahler erzielt wird.2) In Delitzsch hört man vielerorts nur von Problemen. Die höchsten Müllgebühren im Sendegebiet des MDR sind beredtes Zeugnis.

Kritiken an solchen Praktiken blieben erfolglos, weil der juristische Beistand der KWD mit dem Argument entgegnete, es wären „Inhouse“-Geschäfte und damit privatwirtschaftlicher Natur. Das EU-Recht gibt den Kritikern allerdings Recht. Um der endlosen Diskussion über „Inhouse“-Stellen entgegen zu wirken stehen an gleicher Stelle die folgend zitierten Sätze.

Die EU-Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge und Konzessionen gelten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber einen Dritten mit der Durchführung eines Auftrags betraut. Sie gelten nicht, wenn die Beziehung zwischen den beiden Parteien so eng ist, dass der Dritte einer ‚Inhouse’-Stelle gleichzusetzen ist.2) Dies bedeutet: Der Landkreis kann über die KWD nicht wie über eine eigne Dienststelle verfügen. Insbesondere deswegen nicht, weil ein privates Unternehmen mit 45 Prozent beteiligt ist und die Kreiswerke eben nicht nur für den Landkreis tätig werden. Sie verfolgen eben auch eigene wirtschaftliche Interessen.

Die Protagonisten des Delitzscher Spezifikums kann man in Landratsämtern, dem Regierungspräsidium Leipzig, – und als sichtlich die Gelegenheit zu Gunsten einer öffentlichen Ausschreibung zum Greifen nah war, – im zu Hilfe gerufenen Sächsischen Staatsministerium finden. Die Ursachen liegen in den weit vor der praktischen Realisierung einer Müllverbrennungsanlage (MVA) im Amtsbezirk des Regierungspräsidiums Leipzig (RPL), vertraglich gebundenen und erheblichen Müllstroms, der bis in die Gegenwart fließt.

Allem Anschein nach mussten die geistigen Väter in der „Neufindungsphase“, nach dem AUS der MVA Delitzsch, die Zielsetzungen ändern und werden seither von den Sachzwängen getrieben.

In deren Endkonsequenz die für den andienungspflichtigen Müllgebührenzahler die so unsägliche wie auch ungerechtfertigte Erhöhung der Annahmepreise für heizwertreiche Fraktionen um fast 40 Prozent zustande kam. Anfänglich lockte man mit 65 € pro Tonne, ein konkurrenzlos günstiges Angebot und erreichte den Vertragsabschluss mit dem WEV. Nachverhandelt einigte man sich auf 90 € pro Tonne, obwohl alle Beteiligten genau wissen mussten, dass es keine kostendeckende Verwertung zu diesem Preis geben kann.

Die Jahre zuvor eingegangenen problematischen Verpflichtungen holten alle Beteiligten ein. Um der geänderten Situation noch etwas Gutes abgewinnen zu können und eine Einigung über die Abnahme der angeblich nicht den Qualitätsanforderungen der KWD GmbH entsprechenden HWRF, ohne öffentliche Ausschreibung herbei zu führen, pokerte der Delitzscher Landrat Czupalla zunächst hoch. Der zögerlich genannte Betrag in Höhe von 111,20 € je Tonne abgenommener HWRF schien ihm kostendeckend zu sein. Bei diesem Preis schien die wirkliche Verwertbarkeit zu Ersatzbrennstoffen durch die KWD GmbH, dem ominösen Hauptgeschäftsfeld dieser Firma, scheinbar eine untergeordnete Rolle zu spielen (Lesen Sie hierzu Legalisierte Müllgeschäfte?).

Drei Sachverhalte standen für den LR Czupalla von vornherein fest:

  1. Der Vertrag bedurfte einer preislichen Nachverhandlung, um die KWD GmbH, deren Aufsichtsratsvorsitzender er ist, zumindest über seine Amtszeit hinweg, liquide zu halten.
  2. Durch Nachverhandlung wurden für die nächsten 20 Jahre 216 Millionen Euro anrüchige Liquiditätshilfen organisiert. Die bringen seine Kreiswerke in die bessere Lage alle Klippen zu umschiffen. Die Delitzscher Bürger haben davon trotzdem nichts, nur Gebührenerhöhungen bekamen sie als Quittung präsentiert.
    Die noch nicht absolvierte Rekultivierung der ab der Inbetriebnahme der Ersatzbrennstoffproduktion zu 90 Prozent mit Fremdmüll verfüllten Deponie Spröda und die hierfür wohl fehlenden Rücklagen sollen exemplarisch genannt sein.
  3. Die Mechanisch-Biologische Anlage (MBA) Cröbern benötigte schnellstmöglich eine Abnahme der anfallenden heizwertreichen Abfälle. Zum einen, weil ihre nachträglich eingerichteten Notfallzwischenlager am Standort an die Kapazitätsgrenzen stießen und damit keinen weiteren Abnahmeverzug zuließen. Nur so konnte der weitere Betrieb der MBA aufrechterhalten werden. Zum anderen, weil der Gesetzgeber die Betriebsgenehmigung der MBA zwingend von dem Aufzeigen des Verwertungsweges aller anfallenden heizwertreichen Abfälle abhängig macht.

Trotz des horrenden Auftragsvolumens, welche die Abnahme und vermeintliche Verwertung von 2,4 Millionen Tonnen heizwertreicher Abfälle im Vertragszeitraum von 20 Jahren mit sich bringt, erfolgte keine Ausschreibung. Bei den derzeitig existierenden vertraglichen Verpflichtungen errechnet sich folgender Auftragswert:

ursprünglicher Annahmepreis nachverhandelter Annahmepreis
Annahmepreis HWRF 65,00 € / t 90,00 € / t
Jahresabnahmemenge 120.000 t / a 120.000 t / a
Umsatzerlös/Auftragswert 7.800.000 € / a 10.800.000 € / a

So bringt man 3 Mio. € mehr pro Jahr in die Kassen. Die 10,8 Millionen Euro zahlt der WEV Cröbern an die KWD GmbH für die Abnahme der zuvor fertig ballierten heizwertreichen Abfälle und deren gesetzeskonformen Verwertung. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz besteht auf den Nachweis eines Verwertungsweges. Die Annahmeerklärung der KWD, die sie zur Abnahme von jährlich 120.000 Tonnen HWRF verpflichtet, machte die Betriebsgenehmigung für die MBA Cröbern überhaupt erst möglich.

Der Vertrag ist für 20 Jahre geschlossen, also ist ein Umsatzvolumen von 216.000.000,00 Euro freihändig vergeben worden. Die Aufsichtsbehörden haben diese Vorgehensweise begleitet und gedeckt! Wirklich verwertet wird dabei derzeit allerdings nichts. Bestenfalls wird die HWRF endgelagert, sagen die Kritiker. Diese kritischen Stimmen haben die Kostensituation analysiert und kommen daher zu diesem Schluss.

Warum Anteile eines kommunalen Betriebes an private Interessenten gegeben wurden und die Interessen der Allgemeinheit hinter den Forderungen der privaten Anteilseigner zurückstehen, kann man sich denken.

Augenfällige problematische Verpflichtungen aus dieser Zeit, in welcher von Amtswegen die Abnahme der HWRF im Zusammenhang mit der Delitzscher Müllverbrennungsanlage gebetsmühlenartig als „Pflichtaufgabe“ propagiert wurde, sind offenbar die Triebkraft für ein solches Vorgehen. Auch wenn die Ermittlungsverfahren von der Leipziger Staatsanwaltschaft und der Sächsischen Antikorruptionseinheit INES gegen Dr. Haupt, Landrat Czupalla sowie den KWD-Geschäftsführern Dr. Buder und Böhmer und andere pflichtgemäß eingestellt worden, bleiben die uns bewegenden Fragen unbeantwortet. Man kann sagen, dass sich nun mehr neue Fragen und Sachverhalte auftun.

Akteneinsicht in den Vertrag zwischen WEV und KWD über die Abnahme der heizwertreichen Abfälle wurde bisher, mit der fadenscheinigen Begründung, es handle sich um privatrechtliche Verträge, nicht gewährt. Wenn es um die „Pflichtaufgabe“, also die öffentlich-rechtliche Aufgabenstellung zur Müllentsorgung geht, dann ist der Landkreis haftbar. Ergo zahlt der Bürger für damit verbundene Unwegsamkeiten. Wieso aber für Defizite aus anderen Geschäftsfeldern?

Tatsache ist, dass unser Landkreis bereits heute die höchsten Müllgebühren weit über die Grenzen Sachsens hinaus erhebt. Es bleibt die Forderung an die Staatsanwaltschaften, endlich von Amts wegen gründlich zu ermitteln.

Quellen:
1) „Vergabeverfahren bei öffentlichen Aufträgen“ - www.tu-berlin.de/zrz/information/it-beschaffung/vergabe.html (am 29.05.2007)
2) Europa-Informationen - http://www.europa-web.de/europa/03euinf/07eukomm/vergabe.htm

Delitzsch, 31.05.2007


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