Es riecht schlecht

Von Frank BUHLEMANN und Martin DEBES

Untreue und Bestechlichkeit - in diese Richtung wird wegen des Baus der Müllverbrennungsanlage bei Suhl ermittelt. Mittendrin befindet sich offenbar der vormalige CDU-Oberbürgermeister.

NICHT ZU ÜBERSEHEN: An der Autobahn fällt die Müllverbrennungsanlage jedem auf, eine Werbung für den Tourismus im Thüringer Wald ist sie nicht.

TA-Foto: A. VOLKMANN

SUHL/ERFURT. Als die Beamten bei ihm klingelten und hernach sein Haus durchsuchten, da erlitt Martin Kummer einen Schwächefall. So jedenfalls erzählt man sich es in Suhl, ohne dass jemand widerspricht. Denn der Mann, der 16 Jahre lang als Oberbürgermeister der Stadt amtierte, war gestern nicht erreichbar, weder in der Gesenkschmiede, wo er jetzt als Betriebsleiter arbeitet, noch bei sich zu Hause.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt gab sich gesprächiger. Ja, sagte ein Sprecher, es seien zwei Anzeigen eingegangen, davon eine anonyme. Und ja, es gehe um den Verdacht der Untreue und der Bestechlichkeit und eine höhere sechsstellige Summe, die vor dem Bau des Müllofens floss. Den Bericht der Zeitung „Freies Wort“ über die Durchsuchungen bei Kummer und bei der Firma, welche die Anlage baut, wolle er aber „weder bestätigen noch dementieren“.

Dafür bestätigte die Kanzlei des Unternehmens dieser Zeitung: Am 19. Dezember seien die Räume der Martin GmbH in der Leopoldstraße durchsucht worden. Und selbst wenn man die Vorwürfe nicht im Detail kenne, so würden sie doch von der Geschäftsführung „vehement“ zurückgewiesen.

Eine der beiden Anzeigen liegt dieser Zeitung vor und stammt von einem Erfurter Anwalt. In ihr wird von einem „erkauften Ausschreibungsergebnis“ gesprochen. Die kolportierte, aber noch nicht völlig bestätigte Geschichte dahinter: Eigentlich sollte eine Entsorgungsfirma aus Nordrhein-Westfalen die Anlage für immerhin 100 Millionen Euro bauen, sie stand nach der Ausschreibung ganz oben. Doch plötzlich wollte der ZAst, der Zweckverband Abfallwirtschaft Südwestthüringen, neue Vertragsinhalte durchdrücken, die das Unternehmen nicht hinnahm. Also erhielt die bayerische Martin GmbH den Zuschlag.

Nun fühlte sich die westfälische Firma geprellt und stellte einen Nachprüfungsantrag bei der Thüringer Vergabekammer. Später kam es aber zu einem Vergleich über 560.000 Euro. Etwa 40 Prozent davon kamen angeblich aus München.

Das, heißt es in der Anzeige, widerspreche jeder wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung. Und dies begründet offenbar den Verdacht der Untreue bei Kummer - der als Oberbürgermeister auch Chef des Zweckverbandes war.

Sein Nachfolger, der Hildburghäuser CDU-Landrat, bestätigte gestern, dass auch Räume des Zweckverbandes durchsucht wurden. Bis zu 30 Ordner nahmen die Ermittler mit.

Und es gibt ja noch den zweiten Verdacht: Korruption. Allerdings ist bisher nicht klar, ob sich die Bestechlichkeits-Ermittlungen gegen Kummer richten. Zumindest wäre es nicht das erste Mal, dass er wegen des Müllofens mit den Erfurter Staatsanwälten zu tun hat. Nur kurz vor den Durchsuchungen hatte die Behörde frühere Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung eingestellt - allerdings nur gegen die Zahlung einer Geldbuße von 1.500 Euro.

Kummer, lautete der Vorwurf, hatte angeblich gegenüber einem Stadtrat Sponsorengelder für einen Suhler Handballverein an die Zusage geknüpft, dass man den Widerstand gegen die Verbrennungsanlage aufgebe.

Diese Affäre, die kurz vor den Kommunalwahlen im Mai ihren Höhepunkt fand, drehte die Stimmung endgültig gegen Kummer. Er wurde förmlich aus dem Rathaus gejagt. Bereits im ersten Wahlgang gewann mit Jens Triebel ein Mann, der vor allem dadurch bekannt war, dass er auf hohe Berge stieg. Der Oberbürgermeister erreichte nur etwa 20 Prozent der Stimmen.

So steht wohl fest, dass, wie immer die Geschichte sich noch wenden mag, der Müllofen Martin Kummer kein Glück brachte. Nur wenige verstanden, warum er diese Anlage unbedingt nahe seiner Stadt wollte und alle Alternativen ausschlug: Schließlich stand eine Mehrheit der Bürger dagegen, am besten dokumentiert durch die 13.000 Einwendungen. Und noch weniger begriffen, warum er nicht mit kleinen Einzelausschreibungen die hiesige Wirtschaft beteiligte, sondern ein bayerisches Unternehmen als Generalunternehmer holte.

Es gab vieles, was uns damals stutzig machte“, sagt Tilo Kummer, der für die Linkspartei den Vorsitz im Umweltausschuss des Landtages innehat. „Aber erst jetzt scheint das meiste einen Sinn zu machen.

Müll und Politik - für die SPD-Abgeordnete Dagmar Becker ist diese Verbindung auch anderswo in Thüringen „nicht ganz koscher“. Konkreter werden will sie aber nicht; es fehlten ihr, sagt sie, leider die Beweise.

So ist es bislang auch im Fall Kummer, auch weil der Tatbestand der Untreue selbst unter Juristen durchaus umstritten ist. Klar scheint somit nur eines zu sein: Die Müllverbrennungsanlage, die direkt an der neuen Autobahn 71 liegt, wird im September in den Probebetrieb gehen. 160.000 Tonnen Müll sollen dort pro Jahr verbrannt werden. Und auch wenn man die modernsten Filter einbaut: Es wird wohl dabei bleiben, dass in der Stadt Suhl so manches schlecht riecht.

Thüringer Allgemeine, 04.01.2007


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