Integritätsvertrag gegen Korruption

Müllskandal führte zu neuem Ehrencodex

Von Jochen Bülow, Köln

Die Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH (RSAG) ist beispielhaft. Das kommunale Unternehmen reagiert auf die Trienekens-Affäre mit einem „Integritätsvertrag“ für alle Mitarbeiter und Anbieter. Die Anti-Korruptionsorganisation „Transparency International“ hat den Vertrag mit formuliert.
Der Fisch fängt an, vom Kopf her zu stinken - diese Volksweisheit stimmte zumindest im Falle der RSAG, dem kommunalen Müllentsorger aus dem Rhein-Sieg-Kreis. RSAG-Geschäftsführer Karl-Heinz Meys wanderte im Juli vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, nachdem die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt hatte, dass der Firmenchef mindestens 4,15 Millionen Mark von dem Müllunternehmer Hellmut Trienekens angenommen hatte. Dafür soll Meys den Viersener Müllbaron bei Auftragsvergaben bevorzugt haben.

Gebrannte Firma scheut „Normalitäten

Inzwischen ist Meys verurteilt worden, 1,6 Millionen Euro Schadensersatz an die RSAG zu bezahlen - und Ludgera Decking, seine Nachfolgerin als Geschäftsführerin, will mit dem Integritätsvertrag verhindern, dass Korruption in Zukunft bei der RSAG eine Chance hat: „Dieser Vertrag ist ab sofort fester Bestandteil künftiger Ausschreibungstexte der RSAG und enthält klare Regeln und Bestimmungen zwischen Auftraggeber und Bietern.“ Demnach ist den Bietern auch nach erfolgter Auftragsvergabe verboten, sich wie in Köln nachträglich per „Danke-schön-Spende“ für Auftragsvergaben erkenntlich zu zeigen. So waren in der Vergangenheit die gesetzlichen Regelungen ausgehebelt worden - strafbar sind nur Zahlungen oder Vorteilsgewährung vor der Auftragsvergabe.

Auch weitere beliebte Geschäfte auf Gegenseitigkeit, wie die Finanzierung von Hausbauten, kostenlose Reisen oder Präsente sind grundsätzlich verboten. Bei Verstößen der Bieter kann die RSAG den Vertrag „aus wichtigem Grund“ kündigen, weil die Zuverlässigkeit des Bieters dann in Frage steht. Darüber hinaus darf die RSAG bis zu drei Prozent der Auftragssumme als pauschalierten Schadensersatz kassieren und das betroffene Unternehmen zusätzlich von künftigen Auftragsvergaben ausschließen.

Umgekehrt können sich die Bieter darauf berufen, dass die Mitarbeiter der RSAG allen Interessenten die gleichen Informationen zukommen lassen müssen und es keine Geheimabsprachen hinter verschlossenen Türen geben soll.

Als „Lex Trienekens“ darf die Regelung verstanden werden, nach der Bieter versichern müssen, dass sich ihr Unternehmen in den letzten drei Jahren keine der genannten Verfehlungen geleistet hat.

Auch das Schlupfloch Subunternehmen ist dicht

Ein entscheidender Punkt ist, dass Generalunternehmer das korrekte Verhalten der Subunternehmer garantieren müssen, die in ihrem Auftrag tätig werden. Bisher betrachteten Generalunternehmer es häufig als Schlupfloch, nicht selber rechtswidrig zu handeln, sondern nachgeordnete Unternehmen die Straftaten begehen zu lassen - um die eigene Weste sauber zu halten.

Michael Wiehen von der Anti-Korruptionsorganisation „Transparency International“ (TI) beurteilt den bisher in Deutschland einzigartigen Integritätsvertrag deshalb als Schritt in die richtige Richtung: „Das ist nicht nur eine einzelne Schwalbe“, meint der Korruptionsprofi, „sondern ein ganzer Sommer“.Er habe den Eindruck, dass die RSAG sehr interessiert an der Mitwirkung seiner Organisation gewesen sei: „Immerhin ist die RSAG mit der Bitte um Unterstützung an uns herangetreten.“ Angesichts der harten Spielregeln werde TI „nicht als Aushängeschild missbraucht - aber wir werden die weitere Entwicklung sehr genau beobachten“. Insbesondere erwartet Wiehen deutliche Kostensenkungen für die Gebührenzahler.

Erste Erfolge hat das Bündnis schon erzielt: Der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises will prüfen lassen, ob der Vertrag auch bei Auftragsvergaben des Kreises angewandt werden kann. Städte wie Köln, Bonn und Hilden hätten ebenfalls Interesse signalisiert. Und auch mit der Berliner Flughafengesellschaft ist TI im Gespräch.

Neues Deutschland, 03.06.2004

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