Korruptionsaffäre: LWB nutzt PR-Berater

Leipzig (jr). Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) hat einen PR-Berater verpflichtet, um durch die Vorwürfe zum Sachsensumpf keinen Schaden zu nehmen. Seit gestern unterstützt der Marketingprofessor Gregor Halff den Konzern, bestätigte die LWB. Diese Hilfe werde gebraucht, „um der Quantität der mutmaßlichen Vorwürfe zu begegnen“.

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Titelseite, 03.07.2007


Milbradt bringt Opposition in Rage

Korruptionsaffäre: Äußerung des Regierungschefs sorgt für Empörung / Buttolo setzt Prüfteams ein

VON SVEN HEITKAMP

Dresden. Geschredderte Akten in der Korruptionsaffäre, Ungereimtheiten beim Nachrichtendienst und bei der Polizei, Rücktrittsforderungen der Opposition und die Drohung der SPD, die Koalition platzen zu lassen: Für Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) ist die Luft in den letzten Wochen dünn geworden. Gestern nun versuchte er einen erneuten Befreiungsschlag – und setzte zwei Prüfteams ein, die die Arbeit von Verfassungsschutz und Polizei untersuchen sollen. Bis September erwarte er einen Bericht über mögliche Konsequenzen aus der Affäre, sagte Buttolo. Bereits heute will er zudem über die Vernichtung von Unterlagen des Verfassungsschutzes Stellung nehmen.

Für die SPD ist das immerhin der richtige Weg. Sie sieht eine ihrer Forderungen zum Umgang mit der Affäre erfüllt. Für das Gespräch, das Parteichef Thomas Jurk mit Regierungschef Georg Milbradt (CDU) am Freitag im Koalitionsausschuss führen wolle, sei das ein gutes Signal, heißt es bei den Sozialdemokraten. Der Nachrichtendienst hatte sowohl die Parlamentarische Kontrollkommission als auch die Staatsanwaltschaft nur verspätet und zögerlich über seine 15.600 Blatt Akten zu kriminellen Netzwerken im Freistaat informiert.

Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass der Geheimdienst einen hochrangigen Leipziger Kriminalisten als Quelle geführt und damit gegen das strikte Trennungsgebot zwischen Geheimdienst und Polizei verstoßen haben soll. Der Minister lässt nun vom früheren Bundesrichter Dietrich Beyer und von Verfassungsschützern anderer Bundesländer die Vorgänge beim ehemaligen Geheimdienst-Referat für Organisierte Kriminalität (OK) untersuchen. Die Abteilung hatte von 2003 bis 2006 die Korruptionsvorwürfe zusammengetragen. Ein zweites Prüfteam um den Chef des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, soll Ungereimtheiten bei der OK-Bearbeitung der Polizei begutachten. So steht der Verdacht im Raum, dass die NPD über Informanten beim Landeskriminalamt verfügt, weil sich die rechtsextreme Landtagsfraktion auf interne Schreiben berufen konnte. Fragwürdig war zudem eine Razzia des Landeskriminalamts in der OK-Abteilung der Leipziger Polizei, nach der deren Chef abgesetzt wurde.

Mit den Prüfberichten könnte Buttolo versuchen, sich über die Sommerpause Luft zu verschaffen. Der politische Druck hält jedoch an. Schon morgen wollen die Partei Die Linke, die FDP und die Grünen einen Untersuchungsausschuss im Landtag einsetzen. Die Oppositionsparteien werfen der Regierung „schwerwiegende Mängel“ bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre vor.

Unter Beschuss geriet in der Diskussion auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Er hatte den U-Ausschuss während seiner Dienstreise in China per Zeitungsinterview als „Klamauk“ bezeichnet. FDP-Politiker Jürgen Martens warf Milbradt daraufhin „absolutistische Wahrnehmungsstörungen“ vor. Grünen-Politiker Johannes Lichdi sagte, angesichts seiner „Parlamentsverachtung“ sei Milbradt bald reif für einen Rücktritt: „Der merkt nichts mehr.“ Der Umgang der Regierung mit dem Untersuchungsausschuss werde „zur Nagelprobe für ihren Aufklärungswillen“, so Lichdi. Er warnte „vor Mätzchen, die uns zwingen, den Verfassungsgerichtshof anzurufen“.

Den Vorsitz des Ausschusses soll der Rechtspolitiker der Linken, Klaus Bartl, erhalten. Die FDP hat jedoch angekündigt, sie wolle keine stasibelasteten Abgeordneten wählen. Bartl war in der DDR Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit, Staatsanwalt und Abteilungsleiter bei der SED-Bezirksleitung in Chemnitz. Die CDU hatte ihn bei Wahlen schon durchfallen lassen. Ohnehin hat die CDU-Fraktion rechtliche Bedenken gegen Teile des Untersuchungsauftrags. Die Unabhängigkeit der Justiz werde in Frage gestellt und der Kernbereich der Regierung berührt, zudem werde in laufende Verfahren eingegriffen. Generell wolle man sich aber nicht gegen den Ausschuss stellen, wenn der Auftrag verfassungsgemäß sei.

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 4, 03.07.2007


HINTERGRUND


Untersuchungsausschuss

Der Auftrag für den von Linksfraktion, FDP und Grünen auf den Weg gebrachten Untersuchungsausschuss zur Korruptionsaffäre wird auf 14 Seiten in fünf Komplexen mit zusammen 74 Einzelpunkten beschrieben. Im ersten Teil geht es um grundlegende Sachverhalte wie die Frage, ob und wann die Staatsregierung und ihre Behörden von kriminellen und korruptiven Netzwerken aus Politik, Wirtschaft, Justiz und Polizei erhalten haben. Dabei wird unter anderem auf Vorgänge um das Kinder-Bordell Jasmin in Leipzig Mitte der 90er Jahre und auf Immobilien-Geschäfte in der Stadt Bezug genommen. In 13 weiteren Punkten sollen strukturelle Ursachen und Gründe für das Versagen rechtsstaatlicher Kontrolle geklärt werden. Unter anderem, warum der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität 1996 von den Polizeidirektionen auf das Landeskriminalamt verlagert und – in einem Komplex mit 32 Unterpunkten – 2002 der Verfassungsschutz einbezogen wurde. Zudem geht es um die Beteiligung der Parlamentarischen Kontrollkommission und das Krisenmanagement der Staatsregierung. Einen genauen Zeitplan oder eine Liste von möglichen Zeugen, die gehört werden sollen, liegen noch nicht vor.

dpa

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 4, 03.07.2007



Roths Internetseite außer Betrieb

Dresden (dpa). Die Internetseite des Buchautors Jürgen Roth ist außer Betrieb. „Ich sehe mich bewusst in meiner Arbeit behindert“, sagte Roth gestern. Er vermute, dass Hacker gezielt am Werk waren, nachdem er angekündigt hatte, in Kürze weitere Details zur sächsischen Korruptionsaffäre zu veröffentlichen.

Roth hatte nach eigenen Angaben Einsicht in die seit Wochen heftig umstrittenen Akten des Verfassungsschutzes, die Verbindungen von Politik, Polizei und Justiz zur Organisierten Kriminalität belegen sollen. Die Akteneinsicht sei ihm von Politikern „mit Zivilcourage“ ermöglicht worden, sagte der Publizist.

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 4, 03.07.2007


PR-Berater gegen Sumpfvorwürfe

Wohnungskonzern LWB verpflichtet Holländer / Klockzins Privatgeschäfte werden kontrolliert

Blitzerfoto von Klockzins Dienstbus.

Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) hat sich Hilfe geholt, um in der Sachsensumpf-Affäre eine bessere Figur abzugeben. Seit gestern unterstützt der holländische Berater Gregor Halff das Unternehmen, bestätigte die LWB auf Anfrage.

Der 36-jährige Experte für Öffentlichkeitsarbeit (PR) ist Inhaber von Professuren in Dortmund und Singapur. Er werde gebraucht, um „der Quantität der mutmaßlichen Vorwürfe zu begegnen“.

Hintergrund der vermutlich kostspieligen Berufung könnten bereits zwei Termine in dieser Woche sein. Morgen soll die LWB-Geschäftsführung im Verwaltungsausschuss des Stadtrates „zur aktuellen Situation“ Stellung beziehen. Am Donnerstag tagt der Aufsichtsrat des Unternehmens – auch da werden kritische Fragen erwartet. So rügen Vertreter mehrerer Stadtratsparteien, der Leiter der Rechtsabteilung Martin Klockzin hätte sofort nach Bekanntwerden von Unterschriftenfälschungen gefeuert oder zumindest beurlaubt werden müssen. Letzteres geschah erst, nachdem die LVZ berichtet hatte, dass Klockzins Vertrag noch bis Ende 2007 läuft.

Gerüchte, als PR-Beraterin sei zunächst die frühere Stadtsprecherin Kerstin Kirmes im Gespräch gewesen, dementierte Unternehmenssprecher Gregor Hoffmann gestern: „Das war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen.“ Der kommunale Wohnungskonzern erhalte fast täglich aus dem ganzen Land Journalistenanfragen zu einzelnen Immobilienverkäufen. Auch deshalb sei ein PR-Berater sinnvoll, meinte er.

Gleichwohl wolle die LWB nichts vertuschen, sondern alle Vorwürfe zügig aufklären. „Unsere Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit begonnen und prüft jetzt die relevanten Grundstücksgeschäfte.“ Dazu gehöre auch eine erneute Kontrolle der Deals im Rahmen des so genannten Zwischenerwerbermodells – vor allem der Verkauf von 4500 Wohnungen an die dubiose Aubis-Gruppe (siehe Stichwort). „Dieses Modell hatte sich im wesentlichen Klockzin ausgedacht, weshalb ich immer große Stücke auf ihn hielt“, erläuterte der frühere LWB-Geschäftsführer Heinrich Wahlen der LVZ. „Aubis hat nirgendwo so teure Preise bezahlt wie in Leipzig. Schon deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass dabei was unsauber ablief.

Allerdings habe die damalige Unternehmensspitze kritisiert, dass sich Klockzin 1997 beim Fußballklub FC Sachsen als Schatzmeister engagierte. Dies geschah auf Wunsch des damaligen Hauptsponsors der Leutzscher, Aubis-Chef Klaus Wienhold.

Klockzin erwarb 1998 für 575.000 Mark ein Gründerzeithaus in der Lößniger Straße, das eine Aubis-Firma sanierte. Zudem vereinbarte er mit Wienhold, dass dieser 50 Prozent des Hauses kauft. Dies scheiterte aber nach der Aubis-Pleite.

Von Wienholds bestem Freund beim FC Sachsen – dem inzwischen verstorbenen Ex-Präsidenten Marco Kroszewsky – erwarb Klockzin 1999 ein Wohngrundstück Am russischen Garten in Lützschena, das ihm ebenfalls bis heute gehört. Kaufpreis: 740.000 Mark. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes gab es damals eine Prüfanzeige der Postbank gegen Klockzin wegen Verdachts der Geldwäsche. Er selbst beteuerte, sich bei Immobiliengeschäften stets sauber verhalten zu haben.

Die LWB-Arbeitsgruppe will nun auch Klockzins Privatgeschäfte durchleuchten, sofern es einen Zusammenhang zu dessen beruflicher Tätigkeit gibt, erklärte Sprecher Hoffmann. Keine Angaben machte er zu der Frage, weshalb Klockzin als Dienstwagen einen VW-Kleinbus (L-MK 5005) nutzte, mit dem er mehrfach geblitzt wurde. Klockzin habe eben einen großen Hund gehabt, heißt es dazu bei den Kollegen. Dieser Hovaward stammte übrigens aus dem selben Wurf wie der frühere Hund Kroszewskys.

Jens Rometsch

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 9, 03.07.2007


STICHWORT AUBIS


Einem Geschäft mit der LWB hatte der Aubis-Konzern seinen Aufstieg zu verdanken. Dessen Inhaber waren zwei West-Berliner CDU-Politiker: Klaus Wienhold und Christian Neuling. Wienhold arbeitete lange als Landesgeschäftsführer der Union unter Fraktionschef Klaus Landowsky. Neuling saß im Bundestag. Beide hatten kaum Erfahrungen im Wohnungsgewerbe, als sie 1995 von der LWB 4489 Wohnungen in Grünau erwarben – für 171 Millionen Mark. Vorher besaßen sie nur 320 Wohnungen in Schmalkalden. Nun brachen alle Dämme. Aubis konnte über 20.000 Plattenbau-Wohnungen von Görlitz bis zur Ostsee kaufen. Finanziert wurde alles mit Krediten der landeseigenen Bank Berlin Hyp, deren Chef zufällig CDU-Mann Landowsky war. Er erhielt auch dubiose Parteispenden von Wienhold. 2000 brach Aubis zusammen, löste so den Berliner Bankenskandal mit 147 Ermittlungsverfahren aus. Wienhold bekam später wegen eines Randaspekts – Betrug an Mietern bei Nebenkosten – 50.000 Euro Geldstrafe. Der wichtigste Prozess wurde 2006 abgebrochen, weil Wienhold und Neuling wegen Krankheit verhandlungsunfähig waren.

Jens Rometsch

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 9, 03.07.2007


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