Kenntnisse über illegale Immobiliendeals

Zwei Vermisstenfälle werfen neues Licht auf Korruptionsaffäre / Spur führt ins Landgericht Leipzig

Dresden. Sie gehören zu den spektakulären Kriminalfällen in Leipzig nach der Wende: Als 1996, innerhalb weniger Monate, Barbara Beer und Michael Mielke verschwinden, tappen die Ermittler im Dunkeln – keine Hinweise auf Verbindungspunkte zwischen den beiden Taten, kein Motiv, vorerst auch keine Toten. Nur die Autos werden entdeckt, der Renault der 49-jährigen Beer im Februar 1997 in Rückmarsdorf, der Wagen des 24-jährigen Mielke in Lützschena – blutverschmiert.

Schnell gehen die Beamten von Tötungsdelikten aus, von den Opfern aber fehlt jede Spur. Das ändert sich erst im Februar 2000, als in der Elsteraue bei Raßnitz (Landkreis Merseburg-Querfurt) menschliche Skelettteile gefunden werden, die Überreste einer Frau. Aufwändige DNA-Analysen bringen 2003 schließlich Gewissheit: Die Tote ist Beer, jene seit sieben Jahren Vermisste. Mielke dagegen bleibt bis heute verschwunden. Überaus zäh verläuft auch die Suche nach den Tätern. In beiden Fällen stellen Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.

Das aber könnte sich unter Umständen nun ändern. Denn sowohl im Fall Beer wie im Fall Mielke gibt es Hinweise auf Verbindungen zur aktuellen Korruptionsaffäre in Sachsen. So äußerten Beamte des Landeskriminalamts (LKA) in einem internen Dossier bereits im Jahr 2000 einen bösen Verdacht. Beide, Beer wie Mielke, hätten womöglich mit dubiosen Bauschiebereien zu tun gehabt. Die Justizangestellte Beer könnte „Kenntnisse zu illegalen Immobiliengeschäften erlangt haben“, und Mielke könnte gar „aus diesem Grund ,beseitigt‘ worden sein“.

Eben dieser Verdacht scheint sich nun zu erhärten. „Mielke wollte aussagen“, meint ein ehemaliger LKA-Beamter, der heute als ranghoher Polizist in Dresden arbeitet. „Wir wollten ihn als Zeuge hören, plötzlich war er verschwunden.“ Ähnlich der zweite Fall: „Beer war im Amtsgericht Leipzig für Grundstücksverkäufe zuständig, machte Beurkundungen“, sagt der Ex-LKA-Mann. „Ihr Verschwinden muss damit zusammenhängen.

Genau dafür gibt es mittlerweile weitere Indizien. Diese führen ins Landgericht Leipzig sowie zum Attentat auf den Ex-Manager der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), Martin Klockzin. Nach Informationen dieser Zeitung soll Beer kurz vor ihrem Verschwinden zufällig Zeugin eines Sechs-Augen-Gesprächs mit einem führenden Leipziger Richter gewesen sein. Dabei sei es um Hinweise auf die möglichen Drahtzieher des Mordversuchs gegangen – eine Spur, die damals nicht weiter verfolgt wurde. Das jedenfalls sagt ein führender Jurist aus Chemnitz, der sich im Zuge der Korruptionsaffäre bei einem Landtagsabgeordneten in Dresden gemeldet hat.

Das Entscheidende hier aber scheint eine Aktennotiz zu sein. Denn die brave Rechtspflegerin Beer, so der Chemnitzer Jurist, habe die Spitze der Staatsanwaltschaft Leipzig über das Gespräch informiert – schriftlich. Das alles soll 1996 geschehen sein. Kurze Zeit später verabschiedet sich Beer von ihrem Mann in der Leipziger Südvorstadt, steigt in den Renault – und wird nicht mehr gesehen.

Das könnte ein weiteres Licht auf die Korruptionsaffäre werfen. Vieles von dem, was bisher bekannt wurde, ist verjährt. Sollte sich aber herausstellen, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen und kriminellen Netzwerken aus Politik, Justiz, Polizei, Rotlicht- und Immobilienszene gibt, meint ein Ermittler trocken, ändere sich die Lage: „Denn Mord verjährt nicht.“ Jürgen Kochinke

Jürgen Kochnike

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 5, 26.06.2007


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