Korruptionsaffäre: Linkspartei will Ausschuss

Antrag im Juli / Milbradt droht SPD / Harms lehnt Ermittlungen auf Bundesebene ab

Dresden (S. H./J. K.) Die sächsische Korruptionsaffäre soll auch einen Untersuchungsausschuss beschäftigen. Die Linkspartei beschloss nach der gestrigen Landtags-Sondersitzung, das Gremium im Juli zu beantragen. Die 31 Abgeordneten der Fraktion können dabei einen Untersuchungsausschuss allein durchsetzen. Der Ausschuss solle die politische Verantwortung für das Versagen der Strafverfolgung gegenüber kriminellen Netzwerken aufklären, sagte Fraktionschef Peter Porsch.

Die Debatte um mögliche Verstrickungen hoher Vertreter von Politik, Polizei und Justiz in kriminelle Netzwerke hatte am Morgen die Koalition auf eine harte Probe gestellt. Für den Fall, dass die SPD einem Antrag der Linkspartei teilweise zustimmen würde, soll Ministerpräsident Georg Milbradt in der CDU-Fraktionssitzung mit dem Bruch des Bündnisses gedroht haben. Die SPD-Minister würden sofort ihre Entlassungsurkunden erhalten, mahnte er laut CDU-Kreisen.

Gestern wurde bekannt, dass Generalbundesanwältin Monika Harms Ermittlungen auf Bundesebene abgelehnt haben soll. In der Debatte warnte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) vor den Methoden des „perfiden kriminellen Netzwerks“, das noch immer agiere. Die Szene werde versuchen, „mit den für sie typischen Mitteln zurückzuschlagen, weil wir sie zerstören wollen“. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) mahnte zu Geduld und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der sächsischen Justiz.

Die Rede von Justizminister Geert Mackenroth unter: www.lvz-online.de/download

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg, Titelseite, 06.06.2007


Ausmisten und aufräumen

In der Korruptionsaffäre will die Linkspartei nun einen Untersuchungsausschuss durchsetzen

Von SVEN HEITKAMP

Dresden. Die entscheidende Nachricht kam zwei Stunden nach der großen Sondersitzung aus dem Parlament: Die Linkspartei will zu den Berichten über kriminelle Netzwerke in Sachsen nun einen Untersuchungsausschuss des Landtages einrichten. Innenminister Albrecht Buttolo und sein Justizkollege Geert Mackenroth (beide CDU) seien „jegliche Aussage zu den politischen Verantwortlichkeiten für die schwere Vertrauenskrise schuldig geblieben, in die der Rechtsstaat geraten ist“, sagte Fraktionschef Peter Porsch. Daher sei das Gremium nötig.

Schon im Juli werde der Antrag gestellt, den die 31-köpfige Fraktion allein durchsetzen kann. Über den genauen Untersuchungsauftrag werde dennoch zuvor mit der FDP, den Grünen und mit Vertretern der SPD gesprochen, um einen gemeinsamen Antrag zu stellen, so Porsch. Von der Regierung sei „kein Sterbenswörtchen“ dazu zu hören, dass „Ermittlungen gegen kriminelle Netzwerke unterdrückt, Polizisten blockiert und der Parlamentarischen Kontrollkommission rechtswidrig Informationen über die Arbeit des Verfassungsschutzes vorenthalten wurden“. Manche der Straftatvorwürfe seien verschiedenen Institutionen offenbar seit Jahren bekannt gewesen, ohne dass dagegen ernsthaft vorgegangen wurde, sagte Linkspartei-Politiker André Hahn. „Jetzt aber ist es allerhöchste Zeit, auszumisten und aufzuräumen.“ Zu klären sei auch, wann Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) von den brisanten Akten erfahren und was er unternommen oder unterlassen habe.

Der Verweis auf die Beteiligung der „Vertreter der SPD“ zielte vor allem auf den Abgeordneten Karl Nolle, der ebenfalls einen Untersuchungsausschuss befürwortet. Dabei hatte der Spagat der SPD am Morgen den Koalitionsfrieden heftig gestört. Teilnehmer der CDU-Fraktionssitzung berichten, dass Milbradt das Ende des Regierungsbündnisses für den Fall angedroht hatte, dass die SPD einem Antrag der Linkspartei auch nur teilweise zustimmen würde. Die beiden SPD-Minister könnten binnen weniger Stunden die Entlassungsurkunde bekommen, wird Milbradt zitiert. Die SPD beugte sich dem Druck, macht aber keinen Hehl daraus, dass sie einigen Forderungen der Linkspartei eigentlich folgen könnte.

Unterstützung für den Untersuchungsausschuss gibt es indes von den Grünen. Die Kontrolle des Verfassungsschutzes durch den Innenminister habe „in blindem Vertrauen in die Schlapphüte jämmerlich versagt“, sagte Grünen-Innenpolitiker Johannes Lichdi. Justizminister Mackenroth müsse sich kritisieren lassen, weil er nur zögerlich Akten abfordere und Ermittler bereitstelle. Lichdi: „Wir stehen einem Geraune im Politikraumschiff gegenüber, das sich längst verselbstständigt hat.“ Die Regierungsmannschaft lässt die Kritik jedoch nicht auf sich sitzen. Milbradt betonte, er wolle die „schonungslose und vollständige Aufklärung aller Vorwürfe“, aber nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren: „Verdächtigungen, Spekulationen und Gerüchte belasten die Aufarbeitung mehr als dass sie nutzen.“ Innenminister Buttolo kritisierte zugleich die Linksfraktion. Sie habe den Verfassungsschutz immer abgelehnt, wolle sich nun aber an die Spitze der Bewegung stellen. Ohne den Geheimdienst hätte es die Erkenntnisse aber nicht gegeben.

Die Parlamentarische Kontrollkommission hatte nach der Lektüre der brisanten Akten des Verfassungsschutzes um Amtsmissbrauch und Korruption, Immobilienschiebereien und Kinderprostitution den Weg für staatsanwaltliche Ermittlungen freigemacht. Mittlerweile sind zwei Dossiers in der Justiz und bei der Generalbundesanwältin angekommen. Die Staatsanwaltschaft hält sich jedoch vorerst mit Informationen der Öffentlichkeit zurück, um die Ermittlungen, die Zeugen und die Ermittler selbst nicht in Gefahr zu bringen.

Dass das „perfide kriminelle Netzwerk“ noch immer agiere, hatte zuvor Buttolo deutlich gemacht. Die Organisierte Kriminalität werde versuchen, „mit den für sie typischen Mitteln zurückzuschlagen, weil wir sie zerstören wollen“. Man werde Rufmordkampagnen starten und versuchen, Misstrauen zu säen, zu verleumden und Menschen einzuschüchtern, so Buttolo. Regierung und Parlament müssten nun gemeinsam verhindern, „dass unser guten Ruf beschädigt wird“.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg, Seite 5, 06.06.2007


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