INTERVIEW


INES-Chef: „Vor dem Gesetz sind alle gleich

D e l i t z s c h/D r e s d e n. Vor drei Jahren wurde die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) gegründet. Der damalige Justizminister Thomas de Maizière (CDU) begründete den Aufbau der Sondertruppe gegen Korruption vor allem mit Leipziger Affären – beispielsweise mit der um die Olympia-Bewerbung oder den Umbau des Alten Rathauses. Doch die Ausbeute in diesen Fällen blieb dürftig. Wir sprachen darüber mit Oberstaatsanwalt Rainer Aradei-Odenkirchen, seit einem Jahr Chef der Ines.

Bild von Rainer Aradei-Odenkirchen

Frage: In der Leipziger Olympia-Affäre haben die Ermittlungen nichts Verwertbares erbracht. Beim Umbau des Alten Rathauses gab es eine Anklage, die das Landgericht Leipzig abgeschmettert hat. Ist INES eine Erfolgsgeschichte?

Rainer Aradei-Odenkirchen: Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass sich der Erfolg einer Staatsanwaltschaft an der Zahl der Verurteilungen ablesen lässt. Wir haben einen gesetzlich klar umrissenen Auftrag. Bei begründetem Tatverdacht sammeln die Ermittler be- und entlastende Fakten. Korruptionsfälle können dabei schon mal bis zu 1000 Leitzordner füllen. Wenn am Ende mindestens 51 Prozent aller Punkte dafür sprechen, dass ein Beschuldigter verurteilt wird, muss die Anklage erfolgen. Wenn es weniger Prozent sind und wir das Verfahren einstellen, heißt das nicht, dass schlecht gearbeitet wurde.

Minister de Maizière sprach bei der Gründung von einer starken Truppe, die ein sauberes Sachsen ohne Filz und Schmiergeld schaffen soll. Hat er da die dicken Leitzordner nicht bedacht?

Mag sein, dass durch derartige Äußerungen sehr hohe Erwartungen geweckt wurden. Doch seine Einschätzung nach den Vorgängen um die Olympia-Bewerbung, dass eine Spezialeinheit zur Korruptionsbekämpfung in Sachsen nötig ist, hat sich als richtig erwiesen. Heute werden wir von allen Staatsministerien unterstützt. überall im Freistaat hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es auch hier keine heile Welt ohne solche Straftaten gibt. Im vergangenen Jahr haben wir 139 Verfahren abgeschlossen, in 25 Fällen wurden Anklagen erhoben. Nur sagen diese Zahlen bei INES eben nicht viel aus. Jedes Korruptionsverfahren hat ein ganz eigenes Gesicht mit konspirativem Täterumfeld. Das ist nicht wie bei Insolvenzdelikten, bei welchen die Ermittlungen regelmäßig mit dem gleichen Programm beginnen.

Haben die Beschuldigten nicht auch ein Recht auf angemessene Fristen für eine Untersuchung?

Gegen den Delitzscher Landrat Michael Czupalla ermitteln Sie seit Juni 2004 - also schon fast drei Jahre lang. Dabei hatte zuvor die Leipziger Staatsanwaltschaft ein Verfahren in derselben Angelegenheit geführt und ergebnislos eingestellt.

Es ist immer gut, wenn eine Sache schnell geklärt werden kann. Entscheidend ist aber die Qualität der Aufklärung. Bekanntlich geht es bei den Vorwürfen um das Projekt einer Müllverbrennungsanlage. Im Fokus steht dabei nicht allein Herr Czupalla, sondern mehrere Personen. Wir wollen den ganzen Komplex gemeinsam abschließen, arbeiten mit Hochdruck daran. Sicher sind für einen Politiker Ermittlungen besonders unangenehm. Trotzdem liebe ich den Satz: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.

Und noch ein Fall aus Delitzsch beschäftigt Sie, denn auch der Ex-Geschäftsführer der Technischen Werke, Lutz Mörtl, steht unter Korruptionsverdacht. Wie weit sind Ihre Ermittlungen gediehen?

Die Ermittlungen befinden sich in einem sehr sensiblen Stadium. Ich möchte mich deshalb hierzu zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiter äußern.

Dennoch: INES scheint kein schnelles Mädchen zu sein. Wie lange dauert ein Verfahren bei Ihnen im Durchschnitt?

In den drei Jahren seit der Gründung waren es im Schnitt 164 Tage. Allerdings zählten hier alte Vorgänge mit, die wir vom Landeskriminalamt übernommen hatten. Zeitweilig brachte eine hohe Fluktuation bei unseren acht Staatsanwälten Verzögerungen, was vor allem am glücklichen Umstand mehrerer Schwangerschaften lag. Inzwischen konnten wir die Zahl der offenen Verfahren aber um rund 50 senken und liegen aktuell bei unter 100.

Interview:Jens Rometsch, Torben Stephan und Dominic Welters

Leipziger Volkszeitung, LOKALES Delitzsch-Eilenburg, 11.04.2007, Seite 17


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