Die Macht der falschen Götter

Am 21.12.1993 wurde der Betrieb des Tagebaues Delitzsch-Südwest eingestellt. Nach den sich anschließenden Diskussionen und Planungen um die Sanierung der Bergbaufolgelandschaft begann am 8.12.1998 die Flutung des Tagebaurestloches Delitzsch-Südwest (Werbeliner See).

Ein solches umfang- und folgenreiches Vorhaben bedarf vor seiner Realisierung zwingend eines Planfeststellungsverfahrens (PFV) unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Diese Unterlagen zum PFV wurden jedoch erst vom 10.06. bis 9.07.2003 in den meisten betroffenen Gemeinden mit Ausnahme des Raumes Rackwitz (dort vom 11.08. bis 10.09.2003) zur Einsichtnahme ausgelegt.

Die Zahl der Einwendungen hielt sich in Grenzen, wohl auch deshalb, weil Umfang und Inhalt des Materials dem Laien wenig übersichtlich waren. Spezielle Informationsveranstaltungen zu diesem Thema, die ein wenig Licht in das Dunkel gebracht bzw. den Bürgern die drohenden Folgen des Grundwasseranstiegs erläutert hätten, gab es unseres Wissens nicht - im Gegenteil. So antwortete der Döbernitzer Bürgermeister Lutz Wachsmuth auf gezielte Nachfragen aus der Bevölkerung, er habe „keine Ahnung“ und erteilte besorgten Anwohnern in der öffentlichen Gemeinderatssitzung im Juli 2003 Redeverbot.

Fest steht, dass die vorfristige Flutung des Tagebaurestloches Delitzsch-Südwest rechtswidrig ist. Weder war zum Zeitpunkt der Flutung ein PFV eingeleitet worden, noch ist eine nachträgliche Wiederabsenkung des Wasserspiegels bei abschlägigem Bescheid problemlos möglich - beides sind unabdingbare Voraussetzungen für einen vorfristigen Flutungsbeginn.

Jahrelang begründete Einwände besorgter Bürger hinsichtlich des rasanten Grundwasseranstieges wurden ignoriert, selbst fachlich untersetzte Warnungen durch den früheren Dezernenten für Bergbau, Klaus Denef, fanden wenig Gehör. Zahllose Beratungen, Gespräche und Runde Tische wurden veranstaltet - alle ohne Ergebnisse. Die Hinhaltetaktik ist offensichtlich, wie auch Presseartikel der vergangenen Jahre belegen. Die bedingungslose Flutung von Delitzsch-Südwest unter bewusster Hinnahme aller Risiken war erklärtes Ziel. Die Frage nach den Gründen beantwortet sich, wenn man z. B. einige Standortfaktoren im Delitzscher Raum näher beleuchtet.

Hier finden sich mehrere Deponien und Betriebe, bei deren Produktion belastete Abfälle entstehen. Hinzu kommt, dass es zu DDR-Zeiten durchaus übliche Praxis war, alte Tagebau(rest)löcher zu billigen Müllverkippungen zu nutzen, ohne dass eine vorherige Abdichtung statt fand, weil man davon ausging, dass der Braunkohleabbau noch weit bis in dieses Jahrhundert betrieben wird. Wie gefährlich diese tickenden Zeitbomben bei Grundwasseranstieg wirklich sind, lässt sich nur ahnen, da genaue Untersuchungen dazu nie angestellt wurden. Tatsache ist, das die Sanierung dieser Altlasten richtig teuer wäre und auf Kosten des Staates ginge, denn der Tagebausanierer LMBV (Lausitz- Mitteldeutscher Braunkohleverein) steht nur für die unmittelbaren materiellen Folgen des Braunkohleabbaues ein.

Also lässt man schnell Gras im wahrsten Sinne des Wortes über das Ärgernis wachsen, denn erwiesenermaßen lässt sich das Volk gern mit dem Versprechen „blühender Landschaften“ ködern. Der seit Jahren tätigen Bürgerinitiative „Grundwasseranstieg“ wurde nach einer erhitzten Debatte mit dem Landrat und seinen Amtsleitern am 28.01.2003 - LMBV und Regierungspräsidium (RP) ließen sich entschuldigen - klar, dass das end- und ergebnislose Gerede um immer wieder das gleiche Thema schon viel zu lange dauert.

Die uns vorgeschlagene Prüfung zu „Einzelfallentscheidungen“ zielt dahin, den Betroffenen die Beweislast aufzubürden und dann möglicherweise einige wenige davon finanziell abzufinden. Diese Lösung ist keine und entspricht nicht unserer Intention, eine verbindliche Regelung für alle Betroffenen zu finden. Da eine Hilfe durch die zuständigen Behörden nun nachweislich nicht mehr zu erwarten war und wir auch von dort bewusst falsche Rechtsauskünfte erhielten, betrauten wir Herrn Rechtsanwalt Lothar Hermes, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, mit der Wahrnehmung unserer Interessen. Seine Recherchen nach Akteneinsicht ergaben bis heute folgenden Erkenntnisstand:

  1. Eigentlich wurde bereits am 16.12.1997 ein Antrag auf Durchführung eines PFV (Planfeststellungsverfahrens) gestellt. Dieser Antrag wurde später in „Vorverfahren“ zur Durchführung des PFV umgetauft. Bis alle Unterlagen dazu vollständig waren, vergingen trotz Drängen des RP 3 1/2 Jahre.

  2. Die Flutung des Tagebaurestloches Delitzsch-Südwest wurde 1998 ohne Genehmigung begonnen. Das RP Leipzig blieb diesem Termin fern. Am 01.01.2000 wurde die LMBV aufgefordert, einen Antrag zum vorfristigen Flutungsbeginn zu stellen. Sie kam dieser Forderung nie nach, auch wurde nie eine solche Genehmigung erteilt. Warum dennoch geflutet wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Machten höhere Dienststellen ihren Einfluss geltend?

  3. Insgesamt blieben die Antragsunterlagen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens weit hinter dem gesetzlichen Stand zurück. Fragen der Vernässung von Grundstücken und der Gefährdung durch Altlastenstandorte bei Grundwasseranstieg wurden nie geklärt.

Wir glauben hier weder an Zufälle noch an Fahrlässigkeit. Sachdienliche Hinweise nehmen wir gern entgegen.

Bürgerinitiative „Grundwasseranstieg“ Delitzsch
10.02.2004

Anordnung des Flutungsstopps für den Tagebau Delitzsch-Südwest

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