Kraftwerk kurzfristig vom Netz

Delitzsch (dom). Im Biomassekraftwerk (BMKW) in der Delitzscher Carl-Friedrich-Benz-Straße wird seit gestern wieder Strom produziert. Die Anlage, die den Technischen Werken Delitzsch (TWD) zu 44,5 Prozent sowie den Eon-Töchtern Thüringer Energy AG und Energy Projects GmbH zu 30,4 Prozent beziehungsweise 25,1 Prozent gehören, war am Montag und Dienstag vom Netz genommen worden. „Wegen Wartungsarbeiten, die planmäßig jedes Jahr notwendig sind, nun aber vorgezogen wurden, weil es logistische Probleme gab, den Anschluss so schnell zu sichern“, wie Olaf Werner, Pressesprecher der Thüringer Energy AG, mitteilte.

Damit reagierte der Sprecher auf Mutmaßungen von Beobachtern, die Biostrom-Fabrik sei längerfristig vom Netz genommen worden, weil es an Altholz-Nachschub fehlt. Wie berichtet, hatte die BMKW GmbH Mitte des Monats den auf 20 Jahre angelegten Zulieferer-Vertrag mit der Heisterner Holz-Recycling GmbH aus Sandersdorf (HRG), den Becker Umweltdiensten Chemnitz und den TWD selbst „wegen Qualitätsmängeln“ mit sofortiger Wirkung gekündigt. HRG will dagegen gerichtlich vorgehen. In einer Presseerklärung nahm das Unternehmen gestern zu den Vorwürfen der Kraftwerksbetreiber Stellung.

Leipziger Volkszeitung, 30.03.2006, Titelseite


Eon-Sprecher zu Kraftwerk: „Brennstoff ist da

Biostrom-Fabrik kurzfristig vom Netz

Von DOMINIC WELTERS

Delitzsch. Die Gerüchteküche um das Biomassekraftwerk (BMKW) in der Carl-Friedrich-Benz-Straße brodelt kräftig. Nach der fristlosen Kündigung des so genannten Arge-Vertrages mit drei Zulieferern durch die BMKW GmbH (wir berichteten) waren Kenner der in die Krise geratenen Stadtwerke-Tochter Technische Werke Delitzsch (TWD), Hauptgesellschafterin der Strom-Fabrik, gar zu dem Schluss gekommen: „Die Anlage steht still, weil die keinen Nachschub haben.

Was dazu aus der Erfurter Zentrale von Mitgesellschafter Eon Thüringer Energy AG gestern zu hören war, bestätigte anfänglich die ärgsten Befürchtungen. Das Kraftwerk sei seit Montag „kurzfristig außer Betrieb“, sagte Olaf Werner, Pressesprecher der Thüringer Energy, am Vormittag. Es habe „logistische Probleme“ gegeben, „den Anschluss so schnell zu sichern“. Deshalb würden die jährlich anfallenden Wartungsarbeiten vorgezogen. Am frühen Nachmittag dann die Auskunft: „Das BMKW arbeitet seit heute wieder, die Wartung ist abgeschlossen, und Brennstoff-Vorrat ist auch da.“ Auf Gas sei jedenfalls nicht umgestellt worden, wie Sprecher Werner betonte. Das hatten Insider vermutet.

Wer künftig statt der Heisterner Holz-Recycling GmbH (HRG), die laut Arge-Vereinbarung auf 20 Jahre satte 120000 Tonnen Holzschnitzel per anno aus ihrer Sandersdorfer Aufbereitungsanlage nach Delitzsch karren sollte, den Becker Umweltdiensten Chemnitz (BUC) und den TWD selbst für Biomaterial sorgt, dazu wollte Werner keine Angaben machen: „Da sind wir jetzt noch nicht so weit, dass wir das mitteilen können.

Bei der HRG schwillt der Geschäftsleitung derweil der Kamm. Das Unternehmen verwahrte sich gestern gegen die Vorwürfe, es habe Altholz von minderer Qualität geliefert. Die BMKW GmbH hatte dies als Grund für die Kündigung des Kooperationskontraktes angeführt. Laut HRG hat das Kraftwerk seine beiden übrigen Partner TWD und BUC „aufgrund vermeintlicher Fehllieferungen“ Ende Februar abgemahnt - wegen Materials, das aber nicht über die Zerspanungsanlage der HRG gelaufen sei, wie das Unternehmen aus der Nähe von Bitterfeld klarstellte. Besagtes Altholz sei „vertragsgemäß abgewickelt, zurückgeführt und von TWD und BUC durch genehmigungskonforme Brennstoffe ersetzt worden“. Für die HRG indes stehe „nicht eine einzige Fehllieferung zu Buche“. Überdies habe es seit 2004, als der Vertrag abgeschlossen wurde, bis heute keine Abmahnung an die Adresse von HRG gegeben.

In Sandersdorf befürchten sie nun „beträchtlichen Schaden durch die bereits realisierten Investitionen“; vor allem seien die „bei Vollauslastung der Aufbereitungsanlage mit der vertraglichen Jahresliefermenge von 120000 Tonnen benötigten 25 Arbeitskräfte nicht zu sichern“. Den Gesellschaftern des BMKW sei offenbar völlig gleichgültig, „dass durch ihre Handlungen die Existenz eines mittelständischen Unternehmens nachhaltig in Frage gestellt wird“.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 30.03.06, Seite 3



STANDPUNKT


Idiotie

Von DOMINIC WELTERS

Da kündigt das Biomassekraftwerk einer kleinen Zulieferer-Firma die Freundschaft - und führt dabei Gründe ins Feld, die nicht überzeugen; erst recht nicht mit Blick auf die angekündigte Schadenersatzklage durch die Heisterner Holz-Recycling GmbH. Das Geschäft mit der Verstromung von Altholz mag ja im Moment nicht erträglich sein, aber was die Technischen Werke und mit ihnen Energieriese Eon als offensichtlicher Strippenzieher gerade veranstalten, hat mit Weitblick nun auch nicht viel zu tun. Der kurzzeitige Betriebsstopp im Gewerbegebiet Südwest macht deutlich: So einfach - und kostengünstig - wird Nachschub von jetzt auf gleich nicht zu organisieren sein. Derweil türmen sich in Sandersdorf Berge von aufbereitetem Altholz. Wenn alles schief läuft, werden weitere Kraftwerksstilllegungen folgen. Die Quittung dafür erhält am Ende der Gebührenzahler. Welch Idiotie!

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 30.03.06, Seite 3


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