Müll-Wirbel in Delitzsch kommt langsam zur Ruhe

Dresden. Der härteste Kritiker gab sich auffallend moderat: Der Delitzscher Landrat Michael Czupalla (CDU), meinte der PDS-Kreischef Michael Friedrich vor kurzem, habe sich "gerade noch" aus der Affäre gezogen. Trotz "dubioser Interessenverquickung" könne von einem Schmiergeldskandal keine Rede mehr sein. Es ging um die geplante Müllverbrennungsanlage in Delitzsch, einem Lieblingsprojekt von Czupalla. Wochenlang gab es heftigen Wirbel im Kreis - wegen des Ofens an sich, vor allem aber wegen immer neuer Details.

Ausgangspunkt für die Verwerfungen war die Müllaffäre in Nordrhein-Westfalen. Erst stellte sich heraus, dass die Abfallplaner von den Kreiswerken in Delitzsch über mehrere Ecken mit dem Unternehmer Hellmut Trienekens verbandelt sind, der im Kölner Müllskandal eine Schlüsselrolle spielt. Dann musste Czupalla zähneknirschend einräumen, dass er im Wahlkampf 2001 rund 150 Plakate erhalten hatte - gesponsert vom Trienekens-Vertrauten Klaus-Jürgen Haupt.

Das und die Tatsache, dass Haupt über sein Institut für Kommunalwirtschaft auch an den Kreiswerken beteiligt ist, war für Kritiker Indiz für einen üblen Verdacht: Korruption. Für Czupalla aber war es ein ernstes Problem. Denn schon im Vorfeld gab es Bedenken. So hatte der Arbeitskreis Umwelt der CDU-Landtagsfraktion bereits vor zwei Jahren vor "gravierenden Überkapazitäten" gewarnt. Landesweit würden die Abfallmengen sinken, der Landkreis plane zu groß. Doch Czupalla sei hart geblieben, erzählen CDU-Arbeitskreisteilnehmer heute, habe auf der Größe von 70 000 bis 80 000 Tonnen pro Jahr bestanden.

Friedrich teilt diese Ansicht, sieht das Problem aber jetzt gelöst. Denn während der Sondersitzung im Kreistag am vergangenen Dienstag habe Czupalla selbst "die Reißleine gezogen", sei von seinem Vorhaben abgerückt. Nun strebe der Landkreis keinen Alleingang mehr an, sondern eine Kooperation mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen. Damit seien nicht nur die Stadt Leipzig, das Leipziger Land sowie der Muldentalkreis mit im Boot, sondern die Müllmengen entsprächen auch der Realität. Vor allem aber solle der Ofen nicht mehr in Delitzsch stehen, sondern voraussichtlich in Trebsen.

Für Czupalla könnten damit ruhigere Zeiten anbrechen - wäre da nicht Simone Raatz. Denn während PDS-Mann Friedrich vom Korruptionsverdacht abrückt, bleibt die SPD-Umweltexpertin skeptisch. "Der Delitzscher Müll stinkt zum Himmel", meint Landtagsabgeordnete Raatz und vermutet weiter "Untreue zum Nachteil des Landkreises". Jetzt hat sie die Staatsanwaltschaft Leipzig eingeschaltet, die Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen solle die "vielen Ungereimtheiten" klären.

Jürgen Kochinke

LVZ, 20.09.2003