Kölner Müll-Affäre schlägt Wellen bis nach Delitzsch

Kreisgebiet. Die Besucherplätze im Plenarsaal des Delitzscher Landratsamtes waren gestern Abend so gut gefüllt wie schon lange nicht mehr. Das Thema Abfall, möglicher Bau einer Müllverbrennungsanlage in der Kreisstadt und Korruptionsverdacht gegen Klaus-Jürgen Haupt, Gesellschafter des Kreiswerke-Anteilseigners IKW (45 Prozent), sorgte für hohes Interesse an der Sondersitzung des Kreistages.

Ein um Gelassenheit bemühter Landrat Michael Czupalla (CDU) - er ist zugleich Aufsichtsratschef der Kreiswerke - wies in seiner 90-minütigen Rede Vorwürfe einer Verbindung der Kölner-Müllaffäre, in die Haupt verwickelt ist, mit dem Delitzscher Abfallgeschäft entschieden zurück. "Die Kreiswerke sind mit ihrer Tätigkeit nicht in den Prozess der Ermittlungen eingebunden." Weder die Geschäftsführung noch er selbst seien von den zuständigen Ermittlungsbehörden befragt worden. Kein Wunder, schließlich sei die Delitzscher Arbeit "nicht durch Vorgänge in einer anderen Region Deutschlands tangiert".

Der Landkreis und die Kreiswerke hätten in Zusammenhang mit dem möglichen Bau einer Müllverbrennungsanlage in Delitzsch - gegen diesen Plan gibt es Proteste einer Bürgerinitiative - bislang keinem Investor einen Zuschlag erteilt. Czupalla: "Das europaweite Ausschreibungsverfahren wurde aufgehoben." Zudem zeichnet sich ab, dass anstelle von Delitzsch am Standort Trebsen (Muldentalkreis) Abfälle thermisch verwertet werden. Das sei, so Czupalla, zurzeit die "wirtschaftlichste Lösung".

Auslöser der Sondersitzung war ein Bericht in unserer Kreiszeitung. Danach läuft gegen Klaus-Jürgen Haupt ein Ermittlungsverfahren in Nordrhein-Westfalen. Dort war Haupt Berater des früheren Entsorgungsunternehmers Hellmut Trienekens, der zentralen Figur im Kölner Schmiergeldskandal.

Ulrich Milde und Peter Krutsch

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 17.09.2003


CDU-Landrat zitiert PDS: Keine Vorverurteilung

Kreisgebiet. Die Schlagzeile sorgte für einigen - noch immer anhaltenden - Wirbel im Landkreis Delitzsch: "Gesellschafter der Kreiswerke unter Korruptionsverdacht" lautete die Schlagzeile auf der Titelseite der Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung vom 23. August dieses Jahres. Auf Klaus-Jürgen Haupt, Geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsinstituts für Kommunalwirtschaft (IKW), waren Ermittler des nordrhein-westfälischen Innenministeriums bei ihren Untersuchungen zur Kölner Müllverbrennungsaffäre gestoßen. Er war Berater der Schlüsselfigur des Korruptionsskandals, Hellmut Trienekens.

Ausgehend von dem Kreiszeitungsbericht forderte die PDS-Fraktion sogleich eine Sondersitzung des Kreistages. Er werde Landrat Michael Czupalla (CDU) eine "lange Liste von Fragen vorlegen", kündigte Michael Friedrich, PDS-Fraktionschef, an. Gestern Abend nun nahm Czupalla auf der außerplanmäßig einberufenen Kreistagssitzung (ausführlicher Bericht morgen in Ihrer Kreiszeitung) Stellung.

Vor allem die Antwort auf folgende Frage wurde mit Spannung erwartet:
Welche Schlussfolgerungen zieht der Landrat aus dem Abschlussbericht des Untersuchungsstabes Antikorruption des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, in dem die Tätigkeit von Haupt und das Wirken der IKW umfangreich dargestellt werden? "Wie der Fragesteller in seinem offenen Leserbrief an die Kreiszeitung vom 23. August selbst feststellt, sind Vorverurteilungen nicht statthaft, und jedermann hat solange als unschuldig zu gelten, so nicht das Gegenteil bewiesen ist", sagte Czupalla in Richtung Friedrich. Eine solche gegenteilige Feststellung der Justiz sei dem Landratsamt nicht bekannt.

Auch durch vorgebrachte Hinweise auf ausführliche Schilderungen der Beratertätigkeit Haupts für Trienekens, beschrieben von Deutschlands Vorzeige-Rechercheur Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung in seinem Buch "Die Korruptionsfalle - wie unser Land im Filz versinkt" (Rowohlt 2003), ließ sich Czupalla nicht aus der Ruhe bringen. Für die in der Publikation getroffenen Behauptungen sei allein der Autor verantwortlich.

Weiterhin betonte der Landrat, das Abfallwirtschaftskonzept des Landkreises Delitzsch sei von den beratenden Firmen, zu denen auch die IKW Berlin gehört, "nicht maßgeblich beeinflusst" worden. "Mit der Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes wurde die Firma S.I.G. Dresden beauftragt", so Czupalla. "Als günstigster Anbieter erhielt dieses Ingenieurbüro den Zuschlag."

Peter Krutsch

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 17.09.2003


"Kreiswerke sind überhaupt nicht betroffen"

Kreisgebiet. Die Kreiswerke Delitzsch sind von den Korruptions-Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen "überhaupt nicht betroffen". Das sagte Klaus-Jürgen Haupt, Geschäftsführender Gesellschafter des Kreiswerke-Anteilseigners IKW, im Interview mit unserer Zeitung.

Frage: Gegen Sie wird im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen um den Bau von Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen - im Zentrum steht der Unternehmer Hellmut Trienekens - ermittelt.

Klaus-Jürgen Haupt: Das ist richtig. Ich wurde von der Staatsanwaltschaft zunächst als Zeuge und später als Beschuldigter vernommen. Die Ermittlungen sind sachlich und fair verlaufen. Ich habe mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Selbstverständlich belasten mich die Ermittlungen. So etwas ist nie schön. Aber:Ich gehe davon aus, dass das Verfahren gegen mich bald eingestellt wird.

Gab es hinsichtlich der Planungen einer möglichen Müllverbrennungsanlage in Delitzsch Unkorrektheiten?

Nein. Die Kreiswerke Delitzsch sind zudem von den Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht betroffen. Im Übrigen: Trienekens hat mit den Kreiswerken nichts zu tun, ist hier mit keinerlei Anteilen vertreten.

Wie kam es 1990 zum Einstieg Ihrer Firma bei den Kreiswerken?

Nach der deutschen Einheit waren Erfahrungen und Kenntnisse von Unternehmen wie meinem in den neuen Bundesländern gefragter denn je. Ich habe die Struktur der Kreiswerke mit ihrer Holding entworfen. Die Beteiligung von IKW hieran zeigt, dass wir keine Goldgräber waren, die auf das schnelle Geld aus waren. IKW trägt das unternehmerische Risiko der Kreiswerke maßgeblich mit. Die Kreiswerke haben bislang auch keine Gewinne ausgeschüttet.

Wovon leben Sie?

IKW hat viele andere Kunden. Bei den Kreiswerke haben wir vom Aufsichtsrat der Kreiswerke - ich gehöre ihm nicht an - genehmigte und von den Aufsichtsbehörden überprüfte Beratungsaufträge. Meine große Sorge ist, dass durch die Kampagne, die jetzt läuft, die Kreiswerke beschädigt werden. Es sollte nicht vergessen werden: Die Kreiswerke sind einer der großen Arbeitgeber in dieser Region. Es gilt, Schaden von dem Unternehmen abzuwenden.

Denken Sie an einen Verkauf Ihrer Anteile?

Nein, überhaupt nicht.

Sie haben in seinem Wahlkampf eine Plakataktion für Landrat Michael Czupalla gesponsort?

Ja, dazu stehe ich, das ist in einer Demokratie völlig in Ordnung. Selbstverständlich gab es keinerlei Gegenleistungen. Es ist auch alles ordnungsgemäß verbucht worden.

Interview: Ulrich Milde

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 17.09.2003


Nach Lesemarathon herrscht Ruhe

Kreisgebiet. Am Montagabend las in Delitzsch Erich Loest, am Dienstagabend Michael Czupalla. In puncto Dauer nahmen sich der Literat und der Landrat nichts - beide redeten anderthalb Stunden -, in puncto Aktualität und Zuschauerzahl lag Letzterer eindeutig vorn. Volles Haus im Plenarsaal des Delitzscher Landratsamtes.

Der Grund: eine Sondersitzung des Kreistages zu den Korruptionsvorwürfen gegenüber dem Gesellschafter der Kreiswerke (KWD), Klaus-Jürgen Haupt. Der war einst Berater der Schlüsselfigur in der nordrhein-westfälischen Müllaffäre, Entsorgungsunternehmer Hellmut Trienekens. Mit seiner Hilfe gründete Haupt 1990 das Beratungsinstitut IKW, das wiederum am Aufbau der KWD beteiligt war.

Es ist 16 Uhr, als Landrat Czupalla (CDU) im gebügeltem Anzug die Sitzung eröffnet. Vor ihm drängeln sich Fernsehkameramänner in Jeans und schlabbrigem T-Shirt, um möglichst jede Regung im Gesicht des Redners einzufangen. Ein ungewöhnliches Bild für einen Delitzscher Kreistag. Aber der Anlass ist ja nicht weniger ungewöhnlich. Seit Wochen geistern Fragen durch die Region: Gibt es eine Verbindung zwischen dem Kölner Schmiergeldskandal und der Abfallwirtschaft in Delitzsch? Reicht der Filz im Entsorgungsgeschäft vom Rhein bis an den Lober? Hängt gar der Landrat selbst mit drin?

Ist die Gerüchteküche einmal angeheizt, brodelt sie von ganz allein und wird immer heißer. So heiß, dass sich plötzlich Fernsehteams nach Delitzsch verirren, die sich sonst hier nur sehen lassen, wenn Stolpe ein Bahn-Werk retten will. Kein Zweifel, hier erwarten einige Beobachter nichts Geringeres als einen Skandal. Doch den gibt es an diesem Abend nicht. Es gibt eine Lesung.

Vor dem Landrat liegt ein gut dreißig Seiten dicker Katalog mit Fragen zum Thema Müll wie zu seiner Person und mit den Antworten von ihm, Czupalla. Er beginnt zu lesen. Über die Vorwürfe einer Verbindung zur Kölner Affäre, die er alle zurückweist. Über die CD "Weil man sich kennt", die er zur Landtagswahl 2001 herausgebracht hat und die von einem kreisansässigen Unternehmen produziert wurde, "nicht von einer Firma die mit dem KWD oder der IKW in Verbindung steht". Über die Unschuldsvermutung, die auch für Haupt gelte, solange die Justiz nichts anderes festgestellt habe.

Czupalla hört erst wieder auf, als gut 90 Minuten vorbei sind. Nach dem Lesemarathon herrscht Ruhe.

Sie müsse die Fülle der Antworten erst einmal aufarbeiten, so die CDU-Abgeordnete Rita Henke. Die Kreiswerke dürften keinen Image-Schaden durch die Vorwürfe erleiden, mahnt FDP-Mann Peter Blechschmidt. Er finde es dennoch nicht richtig, dass sich Czupalla von Haupt eine Spende für 150 Plakate habe geben lassen, sagt PDS-Fraktionschef Michael Friedrich und geht im lauten Stöhnen der CDU-Fraktion unter. Doch den Schlusspunkt setzt Czupalla selbst. Laut. Es gäbe Flyer, die verkündeten, er sei in einen Müllskandal verwickelt. So etwas stecke er weg. "Aber ich wehre mich dagegen, wenn engagierte Mitarbeiter der Kreiswerke mit peinlichen Fragen belästigt werden wie: Habt ihr eure Verwandschaft in der Firma untergebracht? Für welchen Verein habt ihr gespendet? Das ist unter der Gürtellinie."

Was bleibt? Zurückgewiesene Vorwürfe, Warten auf die Untersuchungsergebnisse im Fall Haupt, die Hoffnung, dass die Kreiswerke keinen Größeren Schaden genommen haben und ein paar Kameramänner, die ohne große Story wieder nach Hause fahren.

Peter Krutsch

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 18.09.2003