Leuna prescht im Müllstreit voran

Baubeginn für Verbrennungsanlage Anfang 2003 / Weitere Projekte im Raum Leipzig Halle geplant

von ANDREAS DUNTE

Leipzig. Der Chemiepark Leuna prescht vor. Im "knallharten Wettbewerb" um das beste Müllkonzept habe der Industriestandort klar die Nase vorn, sagte gestern Erwin Hackel, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Thermische Restabfallentsorgungs- und Energieverwertungs- Anlage Leuna. "Während an anderen Standorten zum Teil noch über Vorhaben gestritten wird, halten wir die Genehmigung in den Händen", so Hackel.

Geplant ist der Bau einer Anlage (Kosten 80 Millionen Euro), die jährlich 195.000 Tonnen an Restmüll verbrennen und Prozessdampf an die Industrie in Leuna liefern soll. Der Preis pro verbrannter Tonne Müll wird auf rund 80 Euro veranschlagt. 80.000 Tonnen heizbaren Mülls hat die Arbeitsgemeinschaft - sie besteht aus der MVV Energie AG Mannheim und der Entsorgerfirma Jakob Becker aus Rheinland-Pfalz - unter Vertrag. Anfang 2003 soll Baubeginn sein.

Die Anlage kann sogar (wofür eine weitere Genehmigung notwendig ist) auf 400.000 Tonnen erweitert werden, "Wir gehen fest davon aus, dass andere Vorhaben im Raum Leipzig/Halle nicht kommen und wir diese Müllmengen erhalten", so Hackel.

Laut Gesetz darf der Hausmüll ab Mitte 2005 nicht mehr wie bisher auf Deponien gelagert, sondern muss verbrannt oder mechanisch-biologisch vorbehandelt werden. Statt auf Zusammenarbeit bei der Entsorgung setzen viele Städte und Landkreise auf Einzellösungen.-"Viele der geplanten Anlagen werden aber nicht kommen", sagte Bernd Bilitewski, Professor für Abfallwirtschaft an der TU in Dresden (siehe interview).

Die Stadt Halle mit einem Müllaufkommen von jährlich rund 50.000 Tonnen lässt jetzt die Abfallverwertung erneut ausschreiben. Ende vorigen Jahres stimmten die Stadträte für den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Lochau mit einer Jahreskapzität von 100.000 Tonnen. Dafür wäre aber auch der Müll aus dem Saalkreis und Merseburg nötig. Der angrenzende Saalkreis hat sich aber jetzt entschieden, eigene Wege bei der Entsorgung zu gehen.

Leipzigs Bürgermeister und Abfallzweckverbandschef Holger Tschense hatte angeboten, dass der hallesche Müll in Lochau in einer mechanisch-biologischen Anlage aufbereitet und der Rest in Sachsen verbrannt wird.
"Das hätte allen Vorteile verschafft, ist aber abgelehnt worden", so Tschense. Da die Anlage in Lochau nicht bis Mitte 2005 komme, stünde Leipzig aber als "Übergangslösung" für den Müll aus Sachsen-Anhalt bereit. Gleiches bietet auch Leuna an.

Nach der Absage Halles hat sich auf sächsischer Seite einiges getan. Ursprünglich wollten Leipzig und Delitzsch getrennt Müllverbrennungsanlagen bauen, doch bei einem Müllaufkommen von nur 30.000 Tonnen im Jahr entschied sich Delitzsch für eine gemeinsame Lösung mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW). Alle Abfälle, die in Leipzig, den Landkreisen Delitzsch, Leipziger Land und Muldental anfallen, sollen auf die Großdeponie Cröbern kommen. Dort wird zur Vorbehandlung des Mülls eine mechanisch-biologische Anlage für 300.000 Tonnen errichtet. Die Hälfte des Mülls fällt beim ZAW selbst an, den Rest bringt Partner Sita Ost mit.

Das heizwertreiche Material (Trockenmasse) kommt anschließend nach Delitzsch, wo eine thermische Anlage zur Erzeugung von Dampf und Strom errichtet werden soll. Allerdings hat der Kreistag Delitzsch nur einer Verarbeitungsmenge von jährlich 80.000 Tonnen heizbaren Mülls zugestimmt, bis zu 110.000 Tonnen fallen in Cröbern an. Für den Rest werde es Lösungen geben, so ein Sprecher der Kreiswerke Delitzsch.

Als Lösung im Gespräch für das restliche Heiz-Material aus dem ZAW-Gebiet ist Trebsen bei Grimma. Die dortige Papierfabrik will ihr Produktionsvolumen erweitern. Das benachbarte Heizwerk, das Prozessdampf liefern soll, könnte gut mehr verheizen, möglicherweise die komplette Menge.

Das Vorhaben des Energieriesen Eon, auf dem Gelände des Veag-Kraftwerkes in Lippendorf eine Müllverbrennungsanlage zu errichten, liegt seit dieser Woche auf Eis (wir berichteten). Anders als etwa in Leuna findet es bei Teilen der Bevölkerung und in der Politik wenig Zustimmung. Den jetzigen Entschluss begründete Eon mit einem zu geringen vertraglich gebundenen Müllaufkommen. Geplant war eine Anlage für über 300.000 Tonnen.

In dieser Größenordnung denkt auch die Gemeinde Zorbau bei Weißenfels. Dort soll eine Anlage zur Erzeugung von Strom auf grüner Wiese entstehen. Bauherr ist übrigens ZAW - Partner SITA.

Laut Kreistagsbeschluss wird in Bitterfeld eine regionale Lösung angestrebt, sprich der Müll soll im Kreis verbrannt werden. Einen Investor gibt es aber noch nicht, auch kein Genehmigungsverfahren.

LVZ, 21./22.09.2002