Anwalt erhebt Vorwürfe gegen Landrat Czupalla und Staatsanwaltschaft

Dresden/Delitzsch (ddp-lsc). Aus Sicht des Dresdner Rechtsanwalts Lothar Hermes geht die Staatsanwaltschaft Leipzig Hinweisen auf Korruption nicht konsequent genug nach. So habe er der Behörde bereits am 18. September den Delitzscher Landrat Michael Czupalla (CDU) "schwer belastendes Material" übergeben, ohne dass seither etwas passiert sei. Zwar habe sie einen Prüfvorgang eingeleitet, er habe jedoch nicht den Eindruck, dass sie "ernsthafte Untersuchungen" anstellt, sagte Hermes auf ddp-Anfrage in Dresden. Die Staatsanwaltschaft verwahrte sich indes gegen die Kritik. Landrat Czupalla bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als falsch.

Der Anwalt, der eine Delitzscher Bürgerinitiative im Kampf gegen eine geplante Müllverbrennungsanlage vertreten hat, wirft Czupalla unzulässige Interessenkollisionen vor. Der Landkreis habe offenbar während der 90er Jahre Grundstücke jahrelang unentgeltlich oder zu geringem Pachtzins den Kreiswerken Delitzsch überlassen, bei denen das private Institut für Kommunalwirtschaft (IKW) Mitgesellschafter ist. "Das IKW hat aus einer Stammeinlage von 50 000 Mark auf Kosten der öffentlichen Hand ohne eigenes Risiko ein Vermögen von etwa 22 Millionen Mark gemacht", sagte Hermes unter Berufung auf eigene Rechercheergebnisse. Czupalla bezeichnet diese Vorwürfe auf ddp-Anfrage als falsch. Ebenfalls nicht bestätigen könne er Hermes Darstellung, dass das IKW Geld für Beratungsaufträge kassiert habe, obwohl es dazu per Gesellschaftervertrag sowies angehalten sei.

Hermes zufolge ermitteln in Nordrhein-Westfalen mehrere Staatsanwaltschaften wegen Korruptionsverdacht gegen IKW-Geschäftsführer Klaus-Jürgen Haupt. Dieser wiederum habe alleinige Verfügungsgewalt über ein Konto bei der Sächsischen Landesbank, das unter dem Namen "Haupt" und dem der Lebensgefährtin von Czupalla geführt werde. Czupalla, der zuvor lediglich eingeräumt hatte, dass er sich von Haupt 150 Wahlkampfplakate bezahlen ließ, wollte auch dies nicht bestätigen. Dies betreffe die Privatsphäre seiner Lebensgefährtin und er verwahre sich dagegen, dass sie "in derartige Zusammenhänge" gebracht werde.

"Der eigentliche Skandal ist nicht der Fall Czupalla, sondern das Verhalten der Aufsichtsbehörden", sagte Anwalt Hermes, der sein eigenes Engagement unter anderem mit der Mitgliedschaft in der Bundesvereinigung Öffentliches Recht begründet, die sich für die Bekämpfung von Korruption stark mache. Ein Schreiben, mit dem er sich an die Landtagsfraktionen gewandt habe, sei von der CDU an die Staatsregierung weitergeleitet worden, bestätigte Fraktionssprecher Martin Kuhrau auf Anfrage.

Nach Angaben des Leipziger Oberstaatsanwalts Norbert Röger entbehren die Vorwürfe des Anwalts gegen seine Behörde jeder Grundlage. "Herr Hermes kennt unsere Arbeit gar nicht", sagte er und verwies zugleich auf die Prüfung komplexer Verträge. Es lasse sich daher nicht vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt der Prüfvorgang abgeschlossen sein wird.

(ddp)

Freie Presse, 05.11.2003