Je höher, desto besser

Müllverbrennungsgegner formieren sich

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Demonstration vor dem Delitzscher Landratsamt



Einst vorm Delitzscher Landratsamt: eine Demo der "Bürgerinitiative Müllverbrennung Delitzsch? Nein!".
Mit von der Partie: Georg Bosold (l.) und Ralf Dammhahn (r.).
Foto: Uwe Müller


Von unserem Redakteur Uwe Müller

DELITZSCH. Der Wintergarten am Haus von Ralf Dammhahn war nicht immer von allen Seiten so verkleidet, wie er sich heute präsentiert. "Manchmal mußte ich täglich 2 volle Kehrbleche mit Staub und Dreck aufkehren." Die Zuckerfabrik und das Dämmstoffwerk liegen in Windrichtung zu seinem Haus. Nun soll aus der Zukkerfabrik ein Biomasse-Kraftwerk entstehen. "Das stinkt mir", sagt der Delitzscher.

Georg Bosold aus Brodau gehörte zu den 5 Gründern der "Bürgerinitiative Müllverbrennung Delitzsch? Nein!". Der Bauingenieur konnte es nicht fassen, daß in der Rosenstadt Delitzsch eine Müllverbrennungsanlage errichtet werden soll. Die ersten Informationen über die geplante Müllverbrennungsanlage sickerten zu ihm im Frühjahr 2000 durch.

Die Beseitigung des Restmülls im Landkreis erfolgte bislang überwiegend durch Deponierung. Dies wurde nun durch die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi) untersagt. Nur noch bis zum 31. Mai 2005 ist eine Deponierung unbehandelter Abfälle möglich, danach sind andere Wege der Restmüllbeseitigung einzuschlagen. Der Landkreis Delitzsch forciert nun den Bau einer Müllverbrennungsanlage im Gewerbegebiet Südwest. Dagegen will die Bürgerinitiative "Müllverbrennung Delitzsch? Nein" mit allen Mitteln vorge- hen.

Im September 2000 stellte die Bürgerinitiative gemeinsam mit der IG Beiträge eine Kundgebung auf die Beine. Der Protest gegen die geplante Müllverbrennungsanlage nahm Gestalt an. Vorm Delitzscher Landratsamt machten sich die Müllverbrennungsgegner am 27. September ihren Herzen Luft. Die Bürgerinitiative füllte den Saal "Zum Weißen Roß". Das war im November 2000. In 2001 initiierte Landrat Michael Czupalla eine Arbeitsgruppe "Abfallentsorgung". "Die halbe Bürgerinitiative war dort drin", so Bosold. "Aber irgendwann hat die Arbeitsgruppe nicht mehr getagt", erinnert sich Dammhahn, der mittlerweile auch zur Bürgerinitiative gestoßen war. Als dann auf der November-Sitzung des Kreistages des Thema "Restabfallbehandlung im Landkreis Delitzsch ab dem l. 6. 2005" auf die Tagesordnung gerufen wurde, zeigten sich die Bürgerinitiativler überrascht. Georg Bosold: "Die Müllverbrennungsanlage ist einfach nicht nötig." Es würde nicht genügend Müll im Landkreis Delitzsch anfallen, um die Anlage auszulasten. Müll müßte aus anderen Regionen nach Delitzsch gekarrt werden. Mülltourismus würde so nach Meinung von Bosold entstehen. "Und damit ist die Grundlage für die Müllvermeidung nicht mehr gegeben.".
Je mehr Müll anfalle, um so kostengünstiger würde die Anlage betrieben werden können, fürchten die Mitglieder der Bürgerinitiative. Das Risiko für die Gebührenzahler, mehr Geld als bisher für die Müllentsorgung ausgeben zu müssen, schätzt Georg Bosold dann als ziemlich hoch ein. Seiner Ansicht nach fallen im Landkreis Delitzsch rund 30.000 Tonnen Hausmüll und hausmüllähnlicher Gewerbemüll an. Die Müllverbrennungsanlage soll wohl 80.000 Tonnen Müll benötigen.
Als Alternative schlägt die Bürgerinitiative eine mechanisch-biologische Anlage, die in ihrer Größe der im Landkreis jährlich anfallenden Müllmenge entspre- chen würde, für die Müllbeseitigung vor. Dann könnte Georg Bosold auch mit dem Standort Südwest leben. Ralf Dammhahn käme es noch auf die Schornsteinhöhe an. "Je höher, desto besser."

Der Landkreis kommt um eine neue Art der Müllbeseitigung nicht herum. Die Deponierung wird ab 2005 ausgeschlossen. Bosold und Dammhahn nicken: "Das ist klar." Sie wollen sich für Alternativen zur geplanten Müllverbrennungsanlage stark machen und planen deshalb gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 6. Februar in der Schenkenberger Pfarrscheune ab 19.30 Uhr eine öffentliche Informationsveranstaltung. Sie möchten auch auf die geplanten Biomasse-Kraftwerke aufmerksam machen, in denen 100.000 bzw. 250.000 Tonnen Altholz im Jahr zu Strom verarbeitet werden sollen. Aus der einstigen Zuckerfabrik soll solch ein Kraftwerk entstehen und unter Federführung der Technischen Werke Delitzsch plant die Stadt Delitzsch ähnliches für das Gewerbegebiet Südwest.

"Vom technischen Verfahren her arbeiten die Biomasse-Kraftwerke wie eine Müllverbrennungsanlage", klärt Georg Bosold auf. "Nur das im Kraftwerk Strom erzeugt wird." Nach Meinung von Bosold und Dammhahn sind in Delitzsch 2 überdimensionierte Anlagen im Entstehen. Bosold: "Ich hoffe, daß die nicht genehmigt werden."

Ralf Dammhahn fürchtet einen Imageschaden für die Stadt. Die Lebensqualität würde in der Rosenstadt zusehends leiden. "Wir wollen nicht, daß Delitzsch durch seine Müllverbrennungsanlagen bekannt wird."

Bitterfelder Spatz, 03.02.2002